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Abhängigkeit

Gegenstaende_strasse3Sind wir nicht alle Abhängig von irgend etwas? Ist diese Abhängigkeit gut oder schlecht? Können wir unsere Abhängigkeit beeinflussen?

Das sind die Fragen, denen ich heute nach gehen will. Zuerst aber einmal die Frage, was ist Abhängigkeit überhaupt? Ein erster Klärungsversuch:

Abhängigkeit ist die Bezugsgröße und Bezugseigenschaft zweier Entitäten.

Das ist jetzt mal meine erste, auf die schnelle hingeschrieben Definition. Das klingt jetzt zuerst mal sehr abstrakt, ist es auch, da ich versucht habe, allgemein zu bleiben. Das ist gar nicht so einfach. Und je genauer wir uns mit dem Thema beschäftigen, desto mehr werden wir auch wieder von der ersten Definition abweichen – so ist es eigentlich fast immer, wenn wir über etwas tiefer nachdenken. Fangen wir also an.

Zuerst einmal finden Abhängigkeiten zwischen zwei Menschen statt – z.B. ist ein Kind abhängig von seiner Mutter. Es kann aber zugleich die Mutter abhängig von einer Sache sein, z.B. von Nahrung. Nahrung wiederum von Licht und Wasser usw.

Halten wir also fest, es müssen nicht nur Menschen zu Menschen sein, sondern die Abhängigkeiten untereinander sind vielfältiger. Daher habe ich versucht so offen wie möglich bei der Begriffswahl zu bleiben und habe einfach Entität genommen. Nahrung ist jetzt in dem Beispiel von Licht und Wasser abhängig – die Pflanze braucht also beides zum wachsen. Solange sie noch ein Samen ist, geht das auch mit weniger Abhängigkeit, aber das lassen wir mal außen vor. Damit passt meine Definition aber nicht mehr, da ich nur von einer 1:1-Beziehung ausgegangen bin. Also neuer Versuch:

Abhängigkeit ist die Bezugsgröße und Bezugseigenschaft mindestens zweier Entitäten zueinander.

Ich habe jetzt das „mindestens“ und das „zueinander“ eingefügt. Das gefällt mir jetzt schon mal besser, es ist offener für eine Vernetzung der Eigenschaften zueinander. Wie ist es eigentlich mit nur einer Entität? Kann die von sich selbst abhängig sein? Also eine Selbstbezüglichkeit haben? Finde ich irgendetwas, wo dies so ist? Ist Wasser von Wasser abhängig? Hm, keine Ahnung, fällt mir jetzt mal nichts konkretes ein. Falls ich – oder Sie einen Fall finden, so müssen wir handeln. Wir müssen dann aus „mindestens zwei“ etwas weicheres machen, damit die Selbstbezüglichkeit darin zum Ausdruck kommt.

Jetzt noch zu den Eigenschaften und Größen des Bezugs, der Relation zwischen den Entitäten. Die können in der Tat variieren. Wenn ich Raucher bin, bin ich abhängig von meinen Zigaretten. Wie stark hängt von meiner täglichen Menge an Zigaretten ab – der Bezugsgröße und die Bezugseigenschaft drückt die Abhängigkeit genauer aus. Ob z.B. ich nun von der Zigarette oder die Zigarette zu mir abhängig ist. Eigenschaft ist dabei wieder so ein abstrakter Begriff, der vieles sein könnte, eine Farbe, eine Größe, Gewicht etc. Damit hilft uns dieser Begriff wieder die Allgemeinheit zu wahren und doch etwas zu haben um weiter voran zu kommen.

Okay, damit hätten wir tatsächlich nach dem zweiten Versuch schon mal eine Arbeitsgrundlage, wenn sie auch nur temporär ist. Solange wir keinen Fall der selbstbezüglichen Abhängigkeit finden, können wir es mit folgender Definition belassen:

Abhängigkeit ist die Bezugsgröße und Bezugseigenschaft mindestens zweier Entitäten zueinander.

Das was ich oben versucht habe, so anschaulich wie möglich zu machen, ist ein mögliches Vorgehen um mit logischen Schlüssen sich einer Frage – hier die Frage nach dem was ist Abhängigkeit – zu nähern. Ich habe das WIE des Denkens versucht aufzuzeigen, meinen Denkprozess sichtbar zu machen! Das ging bei mir jetzt relativ schnell, könnte aber auch über 100 und mehr Schritte erfolgen, in eine Sackgasse geraten und wieder aufs neue aufgenommen werden. Könnte wie hier in 15 Minuten entstehen oder auch in 15 Jahren. Es ist völlig egal, denn das hängt von der Übung oder der Fragestellung ab.
Was aber bei anderen „Erkenntnissen“ meistens fehlt, ist das was ich gerade so dediziert aufgeschrieben habe. Sie bekommen in der Regel nur das Ergebnis präsentiert – also die Definition von oben. Aber nur selten WIE ich auf diese Definition gekommen bin. Sie sind dann kaum in der Lage, nach zu vollziehen, welche gedanklichen Schritte ich durch geführt habe und welche nicht. Kurzum:

Sie sind abhängig von meiner Definition!

Auch in der Mathematik wird diese Abhängigkeit selten aufgelöst. Es gibt dort zwar die Beweisführung z.B. das die vom Satz des Pythagoras aufgestellte Relation – die wir als a²+b²=c² aus der Schule noch kennen – korrekt ist. Dazu gibts dann über 100 verschiedene Beweise, ob grafisch, logisch etc. Was es aber kaum gibt ist, wie der gute Herr Pythagoras (wenn er es denn überhaupt war) auf diese Beziehung kam. Was ihn zu dieser Überlegung geleitet hat. Für uns ist es nicht mehr weiter nachvollziehbar und fragen können wir ihn auch nicht mehr – wir sind also abhängig vom Ergebnis.

Das würde ja schon fast auf eine Selbstbezüglichkeit hin deuten, aber nur scheinbar, da wir auf unterschiedlichen logischen Ebenen operieren. Wir bleiben aber bei den Abhängigkeiten, die wir hier untersuchen wollen, immer auf der gleichen Ebene und lassen diese logischen Konflikte, die sich nur über die Metaebene erschließen lassen, weg. Mehr dazu steht in meinen Buch. Ein Beispiel dennnoch, damit es klarer ist. Wenn eine Person eines Landes eine allgemeine Aussage über die Personen genau dieses Landes macht und diese Aussage in eine (scheinbare) Selbstbezüglichkeit bringt, ist die Aussage dann richtig oder falsch? Häh, werden sie sich jetzt fragen – das ist mir zu abstrakt. Okay dann ganz konkret am Beispiel des Lügnerparadoxons. Ich wohne in Karlsruhe fühle mich also als Karlsruher und sage nun folgendes:

Roland, der Karlsruher sagt: „Alle Karlsruher lügen!“.

So jetzt sind sie dran, sie wollten es doch so konkret wie möglich. Lügen die Karlsruher jetzt oder nicht wenn einer aus ihren Reihen von allen spricht (also auch von sich selbst als Teil von Allen)?

Das mit der Abhängigkeit ist gar nicht so einfach. Macht es uns nicht unfrei? Schränkt uns Abhängigkeit nicht in unserer Freiheit ein? Kommt drauf an würde ein Jurist sagen – ein Philosoph an der Stelle höchstwahrscheinlich auch. Denn wir müssen gewisse Abhängigkeiten eingehen um überhaupt Frei zu sein.

Letztendlich kommt es auf unsere Sichtweise an, ob wir etwas als Abhängigkeit oder als innerer Zusammenhang, als (vorgegebene) Struktur verstehen. Die Mathematik sieht in der Abhängigkeit den positiven Aspekt: sie findet Zusammenhänge in der Natur (Einstein z.B mit seinem e=mc²). Damit sind wir dann auch wieder beim Konstruktivismus. Wir Menschen legen fest (oder math. gesagt, definieren) ob wir abhängig von etwas sind, oder ob wir einen tieferen Zusammenhang sichtbar gemacht haben.

Nehmen sie einmal an, sie wären einsam und alleine als Mensch auf einer Insel. Es herrschen also keine Abhängigkeiten zu anderen Menschen, da keine da sind. Sind sie deshalb nur Freier als die Menschen in einer Gemeinschaft? Der Mensch ist ein soziales Wesen sagt man doch so schön. Nur im Austausch mit anderen Menschen kann der Mensch zum vollkommenen Mensch werden – aber nicht in Isolation. Ein Mensch kann sich nie selbst begreifen, dazu braucht er den Spiegel des anderen Menschen – ist das nun eine Abhängigkeit oder ein tieferer Zusammenhang? Die Frage ist in der Tat nicht so einfach zu beantworten und ich möchte an dieser Stelle auch nicht weiter darauf eingehen.

Fakt ist, wir können und müssen sehr genau prüfen, welche Abhängigkeiten wir in der Gesellschaft zulassen und welche nicht. Ist uns Sicherheit und Planbarkeit so wichtig, dass wir unsere Kommunikation dafür offen legen möchten. Oder wollen wir den politischen Führern die Kontrolle entziehen. Das sind im Kern einige Fragestellungen zu der aktuellen „Spionagedebatte“, die wir als Gesellschaft beantworten müssen. Es geht gar nicht darum, was die Geheimdienste alles über uns Wissen – also nicht um die Bezugsgrößen und Bezugseigenschaften. Es geht vielmehr darum, welcher Aspekt uns als Gesellschaft wichtig ist. Wollen wir den Politikern ein Instrument in die Hand geben, anhand dessen diese prüfen können, wie wir als Kollektiv und Individuum aktuell denken, was uns beschäftigt und damit die Möglichkeit geben, dass ein mögliches Gesetz zur Besteuerung von Vermögen so aus tariert wird, dass es zu keinen Unruhen kommt – oder wollen wir die Politik in der Unsicherheit belassen, dass z.B. eine pauschale Besteuerung von sagen wir einmal 25% unseres Vermögens, dann zu Unruhen führt und wir am Ende alles verlieren aber nicht unsere Freiheit?

Diese Frage würde ich viel lieber öffentlich diskutieren, als die einzelnen Merkmale, welche nun von der NSA oder dem GCHQ alles gespeichert werden. Wenn wir also schon von Freiheit sprechen, dann sollten wir auch unsere Pflicht wahrnehmen und uns beteiligen an der Meinungsbildung und nicht nur alle paar Jahre zur Wahl zu gehen. Denn wozu soll uns der Staat mit einer aufwändigen Bürgerbeteiligung (z.B. Volksbefragung) befragen, wenn eh kaum einer Antwortet und es nur wichtige Zeit und Geld kostet? Sonst passiert vielleicht bald dieses hier:

Also nochmals zusammengefasst. Sind wir als Gesellschaft bereit, aktiv zu sein oder wollen wir lieber geführt werden? Dann aber bitte ohne tägliche Debatte über neue „Enthüllungen“. Vielleicht wäre es auch eine Lösung, man teilt die Bevölkerung einfach in zwei Gruppen auf. Die einen, die Entscheiden dürfen (und müssen) – und eine andere die Ruhe hat, aber auch nichts Entscheiden darf! Man könnte dann auch alle Jahre die Gruppe wechseln. Was halten sie davon? Ich glaube die Politiker würden sich freuen, wenn sie endlich mal wüssten, was sie (für uns) tun sollen. Wir müssen es ihnen nur sagen! Sonst tun es die Lobbyisten – und das zu Recht!

Dann mal los!

Epilog: Ich habe jetzt einfach mal nur so runter geschrieben und gar nicht so viele Quellen wie sonst verwendet. Ich möchte daher noch schnell zwei nachliefern:

Zuerst einmal das wunderbare Buch von Douglas R. Hofstadter mit dem Titel: „Gödel, Escher, Bach„. Da es in wundersamer Harmonie die Abhängigkeiten dieser dreier Menschen aufzeigt.

Als zweiten Frederics Vesters Bücher über das vernetzte Denken bzw. die Kybernetik. Sie haben schon sehr früh den Einzug in meine Vorlesung gefunden, auch wenn die Materie sehr schwer in das Format einer „Vorlesung“ passt.

Ein passendes Zitat suche ich später noch raus… ich habe den Artikel jetzt einfach mal so runter geschrieben und ergänze diesen im laufe des Tages noch, auch die Rechtschreibfehler 😉

Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit,
gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
(Jiddu Krishnamurti)

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Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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2 Kommentare zu Abhängigkeit

  1. history of lingerie // 15. November 2013 um 2:13 //

    Your writer has presented the views about this subject in a very thoughtful and detailed manner. Thank you for publishing the article and giving me something to think about on this topic. This is primo.

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  1. Politische Steuerung mittels Spionage? | Schnappfischkapitalismus

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