Angst als Quelle der Selbsterkenntnis
Zum Thema Angst wollte ich schon lange etwas schreiben, da ich aus vielen Gesprächen herausgehört habe, dass dies ein dringliches „Problem“ ist. Angst vor Prüfungen, Angst zu Versagen, zu Scheitern etc.
Zuerst einmal gilt es fest zu halten, das Angst eine der vier Grundemotionen ist. Clinton Callahan beschreibt diese sehr schön in seinem Buch. Neben der Angst sind das Wut, Traurigkeit und Freude.
Gesellschaftlich belegen wir nur das letzte Gefühl der Freude positiv – das ist aber grundsätzlich ein Irrtum. In allen Emotionen steckt eine Kraft – hier soll es nun um die der Angst gehen. Es ist nun an der Zeit, diese Kraft zu erkennen und zu nutzen, bevor wir ein Medikament entdecken, welches gezielt die negativ belegten Emotionen dämpft. Derzeit gelingt dies glücklicherweise (noch) nicht. Wir können entweder alle Emotionen unterdrücken oder gar keine.
Wenden wir uns zuerst einmal dem Zentrum zu, in dem die Emotionen verortet sind. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist dies ein ganz kleiner Bereich im Gehirn, der nach seiner Form halber Mandelkern genannt wird. Sein wissenschaftlicher Namen lautet Amygdala. Die menschliche Symmetrie sieht man auch hier wieder schön, da es zwei Mandelkerne gibt – daher kann man auch nicht von dem (einen) Mandelkern sprechen.
Dieser Bereich des Lymbischen Systems hat eine Sonderstellung. Es ist in der Lage die Sinnenswahrnehmungen direkt und ungefiltert zu empfangen und damit deutlich schneller zu Reagieren, als z.B. unser Bereich des logischen Denkens. Gleichzeitig ist der Mandelkern in der Lage alle weiteren (sequentiell ablaufenden) Denkprozesse zu hemmen, dazu hat er biochemische „Werkzeuge“ zur Hand. Gleichzeitig kann er auch Botenstoffe in die Blutbahn befördern, welche den Puls erhöhen, die Muskeln mit Blut versorgen und anspannen, sowie ausreichend viel Energie aus dem Gehirn in die Muskeln umleiten.
Das alles war in den vergangenen Jahrhunderten des „Menschseins“ auch wichtig. Entschied dieses Verhalten doch über Leben und Tod. Gerne wird hier als Beispiel auf den Säbelzahntiger zurück gegriffen – ob der damalige Mensch, seine Hauptnahrungsquelle war, möchte ich einfach im Raum stehen lassen. Wichtig ist diese Abfolge bei „Angst“ aber, wenn wir in einer Bedrohungslage sind, bei der wir schnell reagieren müssen, statt abwägend zu handeln. Sicherlich haben wir solche Situationen im Alltag, aber sie sind nicht mehr so bestimmend, wie sie es vor ein paar tausend Jahren noch waren. Und so empfinden wir Angst als hemmend.
Wer vor einer Prüfung durch Angst so blockiert ist, dass er nichts lernen kann – wie sollte er auch, wenn gerade dieser Gehirnbereich abgeschottet wird? – dem wird die obige Erklärung recht wenig helfen. Er braucht akute Hilfe. Hier kann z.B. ein Heilpraktiker, der sich auf die TCM versteht und mittels Akupunktur die Blockaden löst, helfen. Wer die Zeit und Kosten scheut, kann dies auch selbst mittels QiGong tun – in der lokalen Volkshochschule gibt es sicher passende Kurse. Auch Meditation, Joga etc. kann hier helfen. Langfristig wirksam sind diese Methoden aber nur dann, wenn man sich der Quelle dieser Angst öffnet.
Wie bereits zuvor geschrieben, ist der Säblezahntiger bereits ausgestorben und die Situationen, bei der uns das „Angstprogramm“ unser Leben rettet, sind seltener geworden. Dennoch ist Angst als Emotion gegenwärtig. Woher speist sich diese Emotion? Hier bin ich durch einen Wink von Wolfgang auf das fehlende Puzzleteil gekommen. Es findet sich in diesem Beitrag von Brené Brown:
Das fehlende Puzzleteil war die Verletzlichkeit. Hier steckt meines Erachtens der heutige „Trigger“ für Angst. Unsere gesellschaftliche Verletzlichkeit ist so zu sagen der Schatten des Säbelzahntigers von damals. So tragen wir in jüngeren Jahren eine Verletzlichkeit mit uns herum, unseren Eltern sorgen zu bereiten, zu scheitern in der Gesellschaft, nicht anerkannt zu sein etc.
Diese Verletzlichkeit ist eine Quelle der Angst die in unserer Kindheit unbewusst gefüllt wird – diese Angst können wir nutzen um uns selbst besser verstehen zu lernen. Was macht uns so verletzlich? Was macht es uns so schwer aus unserer Komfortzone heraus zu gehen? Warum bleiben wir lieber in einem Job, der uns unglücklich macht, statt unserem Traumjob zu folgen, der vielleicht gesellschaftlich weniger geachtet wird und auch weniger entlohnt, uns aber glücklich macht? Wen verletzen wir damit, wenn wir so bleiben? Am meisten uns selbst und damit sind wir schon bei einem neuen Thema, welches demnächst kommt: den Weg zur Selbsterkenntnis!
Jetzt gilt es aber zuerst einmal die Angst in die Bahnen zu lenken, bei denen sie uns helfen kann unsere Kraft zu entfalten! Das Wissen haben sie nun, tun müssen Sie es aber selbst…
Noch niemals hatte die Menschheit so viel Angst wie heute –
und noch niemals hatte sie so viel Grund dazu.
(Bertrand Russell)
Diese Angst vor Verletzlichkeit ist im Grunde genommen die Angst, aus der eigenen Gruppe geworfen zu werden. Steinzeitlich betrachtet wäre dies gleichbedeutend mit dem Tod gewesen. Ein gesellschaftlich unkonformes Verhalten kann zum Ausschluss aus der Gruppe und – wenn man keine andere Gruppe als Alternative hat -zum Tod führen. Jedenfalls wäre es in der längsten Zeit der Geschichte der Menschheit so gewesen.
Der angesprochene Sozialzwang ist sicherlich eine Quelle der Verletzlichkeit. Jetzt leben wir aber verstärkt in einer individuellen Welt, in der Gruppenzugehörigkeiten nur noch bedingt bestimmend sind. Um dennoch tiefe Verbundenheit mit anderen Menschen eingehen zu können, benötigen wir gerade diese Verletzlichkeit – müssen uns also einem emotionalen Risiko aussetzen.
Das ist die Ambivalenz der Verletzlichkeit – zum einen die Angst diese zu zeigen und damit das Risiko sozial ausgegrenzt zu werden, auf der anderen Seite die Notwendigkeit um tiefere soziale Bindungen ein zu gehen…
Sagt Clinton Callahan eigentlich, warum Wut, Traurigkeit und Freude ebenfalls Grundemotionen sind? Ich habe die Begründung online nicht finden können. Gibt das Buch Aufschluss darüber?
Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Emotion#Basic_emotions) sagt, ein Paul Ekman hat 1972 auf der Basis von Gesichtsausdrücken Überraschung und Abscheu zu den von Clinton Callahan genannten Emotionen wissenschaftlich definiert. Die Quelle von Wikipedia (http://www.theemotionmachine.com/classification-of-emotions) sagt, er hat in den 90ern dann noch 11 weitere Grundemotionen hinzugefügt! In der gleichen Quelle werden weitere Klassifikationen genannt und der Artikel mit der Aussage beendet, dass es sehr unterschiedliche Sichtweisen unter Forschern gibt.
Der Grund meiner Frage ist, dass meiner Meinung nach Angst die einzige Grundemotion ist und ich gern Gegenargumente dazu finden würde, die über reine Behauptungen (oder Gesichtsausdrücke) hinausgehen.
Clinton geht zuerst einmal davon aus, dass Emotionen – zu denen er die vier gleichberechtigten Kategorien Wut, Traurigkeit, Angst und Freude zählt – unvollständige Gefühle sind. Alle diese Emotionen kommen aus der Vergangenheit und beruhen letztendlich auf Bedürfnisse, die in der Kindheit nicht gestillt wurden. Eine Befriedigung der (vergangenen) Bedürfnisse ist dabei nicht möglich, da deren Ursprung nicht die Gegenwart betreffen, sondern die Vergangenheit und auch nur dort ihre Auf-Lösung finden könnten.
Dadurch, dass diese ungestillten Kindheitsbedürfnisse in die Erwachsene Gegenwart kommen, werden es Emotionen.
Soviel vorweg, jetzt zur Begründung der vier Emotionen. Clinton nimmt als Ausgang die vier Körper:
1. der physische Körper mit Geweben und Organen, die Empfindungen haben,
2. der intellektuelle Körper mit einem Verstand, der Gedanken hat,
3. der emotionale Körper mit einem Herz, das Gefühl hat,
4. der energetische Körper mit einem Sein, das Präsenz hat.
Dieser Landkarte der vier Körper stellt er die Landkarte der vier Gefühle gegenüber.
Basis dieser Landkarte kommt aus der Transaktionsanalyse um Eric Berne und Valerie Lankford. Die Reduzierung auf nur vier Gefühle schafft Klarheit der Gliederung und damit der Bewusst-Machung. Bei 15 wird es dann schon haarig.
Als kurze Begründung, dass Angst nicht die einige Emotion sein kann ist unser biochemischer Prozess. Die Ausschüttung von Botenstoffen (z.B. Dopamin) ist direkt von unseren Gefühlen/Emotionen abhängig und je nach Emotion verschieden (z.B. Adrenalin bei Angst). Die Natur macht nichts überflüssiges und wir hätten sicherlich nicht unterschiedliche Neurotransmitter, wenn wir nur eine Emotion hätten.