Wenn Menschsein einen Zweck hat
Gerade in Zeiten, in der alles in Frage gestellt wird. In Zeiten, in denen es scheint, dass ein Ende naht. In Zeiten, in denen die Menschen gespalten werden und der Unmut in Angst und Hass umschlägt. In Zeiten, in denen kriegerische Auseinandersetzungen einen Großteil der Menschen betreffen könnte… ist es vernünftig und klug, die Sichtweise zu ändern.
Stehen solche Zeiten vor der Tür und klopfen an, so ist es ratsam, wenn man nicht sofort die Tür öffnet, sondern zuvor einmal tief Luft holt und kurz inne hält. Dieses Innehalten kann man dann nutzen, um sich die Frage zu stellen, welchem Zweck wir Menschen dienen (derjenige Mensch, der der Ansicht ist, dass der Mensch über dem Zweck steht, möge ab hier bitte langsam weiterlesen, da er nun Neuland betritt – Danke!).
Wer mein Büchlein gelesen hat, findet nun einige weiterführende Ausführungen. Zuvor aber noch eine kurze Zusammenfassung meiner Sichtweise:
Wir Menschen sind, wie alle anderen Lebewesen, Teil der Natur, der wir dienen. Egal was wir tun, für die Natur ist unser Tun weder gut noch schlecht – die Natur kennt schlicht und einfach nicht diese Polarisierung. Kurzfristig mögen wir der Natur Schaden zufügen, wenn wir aber durch die Rückkopplung, die uns die Natur gibt, auf unser Handeln schließen und zu neuen Erkenntnissen kommen, ist die Natur dankbar. Die Natur verfolgt dabei ein Ziel, sie möchte in unserem Handeln und in unserem Entdecken, sich selbst erkennen (den Beweis dafür spare ich mir an dieser Stelle und verweise auf mein Büchlein „Über das Wesen unserer Zeit“). Um diese indirekte Selbstreflexion zu ermöglichen, hat uns die Natur mit einer einzigartigen Gabe ausgestattet: unserem Bewusstsein. Wir sind damit in der Lage die Dinge, die wir wahrnehmen, zu hinterfragen.
Viele Rätsel (für uns erscheinen diese noch so), hat uns die Natur zu entdecken gegeben. Mit jedem Finden und Lösen eines dieser Rätsel wird das Bild klarer und die Natur kommt ihrem Ziel, sich selbst zu erkennen, ein Stück näher. Irrwege gehören zum Lernen dazu und so toleriert die Natur auch vieles – weist uns aber auch auf Sackgassen hin. Nichts anderes macht auch ein guter Lernbegleiter. Er lässt uns die Freiheiten, die wir zum Lernen brauchen und schreitet erst dann ein, wenn es brenzlig wird. Gleichzeitig lädt er uns ein, die Möglichkeiten, die in uns schlummern, zu entdecken; das was aktuell als Potentialentfaltung bezeichnet wird.
Jetzt ist es nun einmal so, dass wir Menschen nicht alle die gleiche Funktion/Aufgabe haben (können). Wir können uns mit einer Ameisenkolonie vergleichen. Hier gibt es Arbeiter und Wächter, sowie eine Königin. Bei den Arbeitern und Wächtern gibt es weitere Differenzierungen – zum Teil durch ihre Erfahrungen bedingt, zum Anderen durch ihre Konstitution. Das Schöne ist aber, alle Ameisen arbeiten zusammen an einem Ziel.
Wenn wir uns nun ein Menschen-Volk ansehen, habe ich nicht den Eindruck, dass wir effizient an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Mich dünkt eher, dass jeder sein eigenes Ding macht. Betrachtet man dies aber aus einer höheren Flugbahn, dann ist die Individualisierung gar nicht so extrem. Ein Großteil geht täglich (spaßbefreit) arbeiten, ein anderer Teil löst die Rätsel der Natur. Es verbleibt ein Rest (der gar nicht so gering ist), mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß – und so nutzt man diesen Teil der Bevölkerung als extrinsische Motivation für den anderen Teil der arbeitenden Bevölkerung. So weit so klar…
Was fehlt?!
Aus meiner Sicht fehlt aber etwas entscheidendes, damit sich der Sinn hinter der Aktivität entfalten kann. Es fehlt das gemeinsame Ziel! So arbeitet jeder vor sich hin ohne das große Ganze (die Kathedrale) zu sehen. Erst dann, wenn wir ein gemeinsames Ziel haben, können wir unseren Menschen-Staat so ordnen, dass wir gemeinsam effizient das Ziel erreichen können. Erst dann ergibt die Diskussion über ein Grundeinkommen/Bürgereinkommen/Bedarfseinkommen überhaupt einen Sinn. Ohne das gemeinsame Ziel verkommt das Menschsein zur reinen Vegetation – was auch nicht schlecht ist, solange wir so bleiben wie wir sind, denn dann wird der Mensch wieder vollständig Nahrung (nicht aber mit den künstlichen ‚Enhancements‘).
Es wird sicher einige geben, die sich heute schon an der Natur orientieren und bereits auf dem ‚richtigen‘ Weg sind. Das genügt aber nicht! Es reicht nicht, wenn – als Beispiel – ein Veganer meint, er müsse jetzt den Rest der Welt bekehren und einen gesetzlichen Veggieday einführen. Ohne ein gemeinsames Ziel/Leitbild ist dieses Unterfangen eine Bevormundung, die nur auf Widerstand stoßen kann (und muss!).
Auch bringt es nichts, wenn wir an einem Standpunkt (= Ideologie) verharren. Viel lieber würde ich mir eine offene Diskussionskultur wünschen, die die Vorteile der Ideologie herausstellt und auch die Nachteile. Denn so kann irgendwann einmal ein ganzheitliches Bild entstehen, an dem sich alle Menschen orientieren können. Assagioli hat dies bereits mit der Psychosynthese im Bereich der Psychologie begonnen.
Mit einem gemeinsamen Ziel, da bin ich mir sicher, werden sich viele Ansichten bestätigen und wir Menschen uns zu diesem „Ideal“ hin bewegen.
Abermals möchte ich eine Analogie aus der Natur verwenden: das gemeinsame Ziel ist am Anfang noch ein zartes Pflänzchen. Geben wir ihm aber die Zeit und den Raum zum Wachsen, kann aus dieser Pflanze ein großartiger Baum werden mit einem tiefen Wurzelreich (= Grundlagen/Werte/Ethik…) und vielen starken Ästen (= Visionen/Träumen/Ideologien…). Dieses Wachsen ist dann aber die Folge des gemeinsamen Ziels und hat Halt und Boden zugleich. Das wir irgendwann dann reife Früchte ernten können, ist die zwangsläufige Folge unseres Tuns!
…suchen Sie konkrete Dinge zur gestaltenden Mitarbeit, dann möchte ich Ihnen meine Initiative – die ich auch in meinem Buch ausführlich beschreibe und hier anreiße – ans Herz legen. Danke!
Wir alle müssen das Leben meistern.
Aber die einzige Art, es zu meistern, besteht darin, es zu lieben.
(Georges Bernanos)
Gemeinsame Ziele existieren nicht, wenn es allen gut geht. Geht es nicht mehr allen gut, haben jene, denen es schlecht geht, das gemeinsame Ziel der Verbesserung – können sich aber in der Regel nicht untereinander und schon gar nicht über das Herangehen einigen. Und jene, denen es noch besser geht, teilen das Interesse, dieses „besser gehen“ gegen alles und alle zu verteidigen, so lange es geht.
Das ist die Realität. Dass jemand freiwillig den Ameisenstaat als positives Beispiel bringt, zeugt vom Untergang jeglicher möglichen Utopie. Dieser Ameisenstaat wird nämlich gerade hergestellt: von außen (Überwachung/Vernetzung, Abschaffung jeglicher Zeit zum Nach-denken), nicht von innen („Gott siehts!“).
Um die Natur müssen wir uns nicht sorgen. Das Weltall ist so riesig, die Zeit schier unendlich – vermutlich gibts unzählige Versuche der „Selbsterkenntnis der Natur“ bzw. der Entwicklung von Bewusstsein. Da kommts aufs eine oder andere genauso wenig an wie auf das einzelne Korn in einem Weizenfeld.
Die Idee, jeder Mensch hätte eine bestimmte „Aufgabe“ ist übrigens ekelhaft totalitär und das Ende der Freiheit. Nein, es gibt nichts dergleichen, wir dürfen nach dem Glück streben und selbst entscheiden – müssen aber immer auch die Konsequenzen tragen.
Lieber Leander B.,
ich sehe auch das Problem, dass die Masse sich nicht demokratisch auf ein Ziel einigen kann. Aus der Geschichte heraus ist das auch gar nicht nötig. Es reicht durchaus, wenn eine kleine Gruppe ein Ziel formuliert, dass von der Mehrheit getragen wird.
Mein Beispiel des Ameisenstaats ist eine Analogie, an dem sich durchaus gut eine Situation verallgemeinern lässt. Ich möchte jedoch nicht ein funktionierendes System aus der Natur auf die allgemeine Überwachung abbilden, da dieser Vergleich – nach meinem Verständnis – nicht zum Ameisenstaat passt. Die Blaupause der aktuellen Geschehnisse entsprechen eher dem, was Zbigniew Brzezinski als Tittytainment bezeichnet hatte:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tittytainment