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Das Wesen des Schnappfischkapitalismus

Schnappfisch-1916Nach einigen Beiträgen zum Schnappfischkapitalismus ist es für mich nun an der Zeit, den Wesenszügen selbigem nach zu gehen. Ich möchte zuerst einmal mit den Rahmenbedingungen starten, bevor wir uns in Details verlieren.

Jede Gesellschaft führt irgendwann unweigerlich zu einer Spezialisierung, da innerhalb dieser Gesellschaft sich Personen herausbilden, die eine Tätigkeit besser können als andere. Diese Spezialisierung ist zuerst einmal für alle positiv. Der, der mehr Nahrungsmittel herbeischaffen kann, als er selbst benötigt, profitiert mit seinem Überbedarf im Tausch von dem Überbedarf eines anderen (z.B. Kleidungsstücke). Diese Tauschgesellschaft kennen wir noch aus den Geschichtsbüchern, praktizieren diese aber auch heute noch im Kleinen. Da diese Art des (Tausch-)Handels in der Regel nur sehr regional wirkt – und auch bei vielen anderen Dingen, wie z.B. der Haltbarkeit oder der Teilbarkeit, Begrenzungen widerfährt – trat als Vermittler irgendwann das, was wir Geld nennen, hervor.

Das Vertrauen in Geld als Stellvertreter für reale Waren oder Dienstleistungen war jedoch nicht sehr groß, so dass deren Verbreitung zum einen seine Zeit brauchte, gleichzeitig aber das Gut, was als Geld verwendet wurde, einen Wert an sich vertrat – daher bildete sich irgendwann auch Gold (und Silber) als Mittel der Wahl heraus. Auch heute kann man noch festhalten, dass Vertrauen nicht einfach eingefordert werden kann, sondern sich erst über die Zeit und die darin gemachten (positiven) Erfahrungen ergibt.

Solange also Geld ein direkter Stellvertreter für Waren oder Dienstleistungen ist, muss keiner Angst haben, dass er für sein Geld nichts mehr bekommt. Es kann lediglich der Fall sein, dass er für das Geld nicht das bekommt, was er am liebsten hätte, aber dennoch bekommt er etwas. Dieser Nachteil lässt sich aber durch unterschiedliche Preise der Güter ausgleichen. Damit bekommen begehrte Güter einen höheren Preis und als Ausgleich weniger begehrte einen niedrigeren. Im Idealfall findet damit jeder unter Berücksichtigung des Preises sein ideales Gut.

Nun noch das letzte Element, dann kommen wir auch endlich zum Schnappfischkapitalismus.
Solange ich bei meiner Produktion von was auch immer noch Optimierungspotential habe – und das ist uns bisher noch nie ausgegangen, wenn es uns auch immer schwerer fällt – kann ich durch Sparen, also Konsumverzicht, soviel Kapital anhäufen, dass ich meine Produktion durch diese Investition in naher Zukunft steigern kann. Dann setzte ich einen Teil meines Kapitals für eine zukünftig höhere Produktion ein.

Nun sind wir in der Gesellschaft an einem Punkt angelangt, der einige dieser Wesensmerkmale nicht mehr besitzt:

  1. es gibt seit über 40 Jahren keine Golddeckung mehr unseres Geldes. Fast das gesamte im Umlauf befindliche Geld beruht nur noch auf Vertrauen derjenigen, die dieses Geld in Umlauf bringen.
  2. Wir geben immer mehr Geld für Dinge aus, die uns keinen Produktionszuwachs mehr bringen sondern lediglich unserem Konsumrausch dienen.
  3. Wir nutzen die Produkte in immer kürzeren Zyklen und ersetzen diese durch neue (zum Teil wird der Produktlebenszyklus künstlich durch die sog. Obsoleszenz reduziert, aber auch durch Medienbeeinflussung).
  4. Wir sind als Gesellschaft bereits so gesättigt, dass uns gar nicht mehr auffällt, was uns fehlt und welche Potenziale wir noch haben, um weitere Produktivitätszuwächse zu erzeugen.
  5. Die vorhandene Geldmenge entspricht nicht mehr der real vorhandenen Waren und Dienstleistungen.

An dieser Stelle möchte ich die Aufzählung vorerst schließen.

Die gegenwärtige Lage ist dabei ein Teufelskreis, der sich selbst an den Rand bringt. Wir müssen lediglich sensibel für die Situation sein – und wenn es ums eigene Geld geht, ist der Mensch zu tiefst sensibel!
Denn dieser Kreislauf kann nur bis zu einem gewissen Punkt aufrecht erhalten werden, bis er sichtbar wird. Zum einen dadurch,dass:

  1. die Ressourcen zur Herstellung der Produkte an ihre Grenzen stoßen und damit der Konsumrausch stoppt,
  2. immer mehr Geld in das System läuft und die Abwertung des Geldes bedrohliche Ausmaße annimmt (das Stichwort heißt hier Hyperinflation),
  3. ein Staat den Bankrott erklärt und von heute auf morgen die Währung nichts mehr wert ist.

Durch die Inflation, also die schleichende Geldentwertung, wird zwar ein Instrument genutzt, mit welchem langsam die Geldmenge wieder an die real verfügbaren Waren und Dienstleistungen angeglichen wird, aber die Geldmenge wächst im Gegenzug derzeit so stark an, dass die Inflation hier nicht mehr wirkt.

Ebenso wirkt der vorgezogene Konsum mittels Kredit nur bedingt, da diese Kredite nur dann nachhaltig sind, wenn sie der Produktivität dienen. Reine Konsumkredite erhöhen zwar den Absatz an Waren und Dienstleistungen aber nicht die Produktivität, da z.B. der Fernsehkonsum in der Regel keine neuen Werte schafft, sondern nur Lebenszeit zerstört.

Das Thema ist mit diesem kurzen Beitrag sicherlich nicht erschöpfend behandelt. Durch die Kürze der Gedanken ergibt sich aber sicherlich der Raum zur Diskussion, denn nichts ist wichtiger für die Zukunft, als eine Diskussionskultur, die wieder auf die Argumente zielt!

Daher noch ein Gedanke zum Abschluss: die Volkswirtschaftslehre bedient sich gerne der Mathematik, wie auch andere geisteswissenschaftliche Felder wie z.B. die Psychologie. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Argumente in deren Disziplin wie mathematische Formeln als unumstößlich wahr dargestellt werden, dabei ist doch nur die Teildisziplin der Logik die Disziplin, die (durch Kurt Gödel) erwiesenermaßen vollständig und korrekt ist. Was jedoch keine korrekte Schlussfolgerung ist – und daher nicht erlaubt ist – ist der Umstand, dass aus einer falschen Annahme alles gefolgert werden kann. Daher wäre es auch für die Volkswirtschaftslehre gewiss ein gutes Unterfangen, sich die grundlegenden Annahmen nochmals genauer an zu sehen – eine dieser Annahmen wäre z.B. die, dass Inflation gut sei…

Wohlstand ist, wenn man mit Geld, das man nicht hat,
Dinge kauft, die man nicht braucht,
um damit Leute zu beeindrucken, die man nicht mag.
(Alexander v. Humbold)

Wenn man genug Geld hat,
stellt sich der gute Ruf ganz von selbst ein.
(Erich Kästner)

Über Ro!and (409 Artikel)
Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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3 Kommentare zu Das Wesen des Schnappfischkapitalismus

  1. Lieber Roland,

    wahre Worte. Was uns wohl fehlt ist ein ganzheitlicher Gegenentwurf auf allen Ebenen, der es dazu noch schaft die vielen kleine (zersplitterten) Einzelinitiativen zusammen zu fassen…

    Also dran bleiben und das beste daraus machen… oder aussteigen…

    um nur mal zwei Alternativen auf zu zeigen.

    Lieben Gruß Carsten

  2. Die Geschichte mit der Spezialisierung und dem Eintauschen von Überschüssen ist eine Legende, die nur zur Rechtfertigung der Theorie des homo oeconomicus dient.
    Die Entstehung von Geld aus den Problemen des Tauschhandels heraus ist nicht belegbar. David Graeber hat in seinem Buch über Schulden mit ein paar Mythen rund ums Geld aufgeräumt.
    Hier ein Interview im SF: http://youtu.be/IX7uuuHFpyQ?t=3m22s

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