Ein Leben nach der Dienstleistungsgesellschaft
Zu meinem gestrigen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung (der nahen Zukunft) hat pedrobergerac einen wertvollen Kommentar hinterlassen. Danke dafür! Ich möchte mit diesem Beitrag ein paar Gedanken dazu beisteuern und Sie zu Kommentaren ermutigen.
In dem sehr lesenswerten Beitrag von Karl Gschwendtner mit dem Titel „Was erwartet uns ? Eine Reise durch die Zeit …“ lassen sich einige Entwicklungen unserer Gesellschaft ablesen. Einiges davon habe ich in unterschiedlichen Beiträge bereits angerissen.
Nachdem wir als Gesellschaft uns mehr und mehr von der täglichen Nahrungsbeschaffung befreit haben und durch die Industrialisierung uns stetigen ‚Wohlstand‘ geschaffen haben, sind wir seit einigen Jahrzehnten in der Dienstleistungsgesellschaft angekommen. So waren 2012 in Deutschland 73,7% der Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich tätig. Gerade mal 1,6% sind noch in der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei tätig. Auch das produzierende Gewerbe hat nur noch einen Anteil von 18,8%. Der verbleibende Rest von 5,9% ist dem Baugewerbe zugeordnet. Soviel zur Ist-Situation.
Parallel zu dieser Entwicklung kann man der Statistik entnehmen, dass wir 2012 insgesamt 41,61 Millionen Erwerbstätige hatten. Setzt man nun für die 41,61 Millionen Erwerbstätigen eine Vollbeschäftigung voraus, so wären dies bei einer 38 Std./Woche und 52 Arbeitswochen/Jahr eine Arbeitsleistung von 1.976 Std./Jahr und Erwerbstätigen, in Summe ein Arbeitsvolumen von 82,22 Milliarden Stunden. Dem steht aber ein ausgewiesenes Arbeitsvolumen von 58,11 Mrd. Stunden gegenüber. Ein Großteil der Erwerbstätigen ist also nur in einer Teilzeitbeschäftigung – dieser Statistik zufolge ca. 1/3. In den letzten 10 Jahren wurde die Teilzeitquote stetig gesteigert.
Es lässt sich festhalten, dass wir immer weniger Zeit mit Arbeiten verbringen, unser Konsum gleichsam wächst. Dieses Konsumwachstum lässt sich aber nur durch stetig kostengünstiger produzierte Waren aufrecht erhalten, da die Einkommen als Folge der reduzierten Arbeitszeit real sinken. Gleichzeitig bestreiten bereits 73,7% der Erwerbstätigen ihre Einkünfte im Dienstleistungsbereich – tragen also nichts zum Waren-Wachstum bei, sondern lediglich zu dessen Verbrauch.
Stellen Sie sich mal bitte folgendes vor. Ihre Dienstleistungs-Vollzeitstelle würde auf eine Halbtagesstelle reduziert, ihre Einkünfte also um ca. 40% reduziert. Sie haben noch Darlehen die sie bedienen müssen, laufende Kosten etc. Es bleiben ihnen jetzt noch im Monat 600 EUR übrig. Wo werden Sie diese wohl investieren, wenn nicht in Nahrung? Werden Sie sich bei einer solchen Zukunftsaussicht nicht eher eine Schere für 10 EUR kaufen und sich die Haare zukünftig selber schneiden, als für das gleiche Geld sich einmal einen günstigen Haarschnitt verpassen zu lassen? Werden Sie nicht zuerst an Dienstleistungen sparen, statt am Essen und Trinken?
Damit wird aber eine Lawine losgetreten, die nicht mehr auf zu halten ist. Denn fast alle Dienstleistungen sind nicht überlebensnotwendig bzw. können bei Geldknappheit eingespart werden. An dem Konsum der Dienstleistungen hängen aber der überwiegende Teil unserer Jobs. Meine Einschätzung dabei ist, dass diese Lawine bereits schon ins Tal donnert – nur wir dieses Donnern noch nicht hören (wollen) – ob wir später dieser medialen Ablenkung dankbar sein werden, wage ich zu bezweifeln.
Wie sehr eine solche Blase aufgebaut werden kann, konnten wir durch die sog. Dotcom-Blase 2000 erleben. Fast alle Dotcom-Unternehmen beruhen auf dem Dienstleistungsgedanken und hatten keine realen Werte vor zu weisen. In der ungezügelten Gewinnerwartung wurden die Börsenkurse der Unternehmen in kürzester Zeit in atemberaubende Höhen gebracht, um dann in kürzester Zeit in sich zusammen zu fallen.
Wenn uns etwas ähnliches in gesamten Dienstleistungsbereich passiert, stellt sich die Frage, auf was wir dann noch bauen können? Wer von uns Dienstleister weiß, wie er sich über die Natur ernähren kann? Wer kann giftige Pflanzen von ungiftigen unterscheiden? Wer hat das nötige Handwerkszeug, sich aus dem Garten zu ernähren?
Wir sind als Dienstleistungsgesellschaft gut beraten, wenn wir die frei gewordene Zeit wieder unseren Wurzeln widmen und verstärkt in der Region mit realen Werten tätig werden. Sich auf die Globalisierung zu verlassen und alle Handlungsoptionen auf Freihandelsabkommen zu setzen, halte ich für bedrohlich. In einer solchen Abhängigkeit führt dann kaum noch ein Weg an einem globalen Krieg vorbei – ist er doch bisher das Mittel der Wahl gewesen, um uns als Gesellschaft wieder etwas Luft zu verschaffen.
Das wir jedoch noch andere Möglichkeiten haben, unsere Zukunft zu gestalten, wenn wir nur Wissen und Liebe zu gebrauchen verstehen, scheint genauso gut vergraben zu sein, wie manche Metalle in der Erde. Leider ist die Bereitschaft nach den Metallen zu schürfen weitaus größer, als die, nach Erkenntnis zu suchen.
Die Rettung des Planeten ist kein Zuschauersport.
(Lester R. Brown)
sehr guter ansatz und weil freiwillig keiner mehr dienstleistung in anspruch nimmt werden wir ja bereits über miete/strom/wasser usw. gezwungen diese doch in annspruch zu nehmen.
kleiner hinweis: die selbstversorgermentalität (wildkräuter sammeln)sollte man lieber für sich behalten, deutschland besteht nämlich überwiegend aus neidern und denunzianten
Deutschland hat sich nicht zu Unrecht den Ruf, einen Großteil an Neidern und Denunzianten zu beheimaten. Wenn es aber zum Lawinenrutsch kommt, muss das Ziel sein, alle Menschen zu integrieren. Ansonsten fallen wir in einen „Zustand“ zurück, den keiner erleben möchte.
So greift die Selbstversorgermentalität als langfristiges Ziel zu kurz, da ein Anbau (oder eine Tierhaltung) in der Stadt kaum vor der Nachbarschaft zu verheimlichen ist. Auch das Verteidigen seiner Vorräte wird langfristig nicht möglich sein. Erst wenn ich genügend gleichgesinnte zusammenfinden und gemeinsam etwas produktives mit der Erde gestalten, finden wir wieder den Rückhalt, der einen Neuanfang möglich macht.
Das alles ist selbstverständlich „graue“ Theorie. Wenn man plötzlich das Leiden direkt vor der Haustüre hat, zeigt sich, wie sehr wir durch den Fernsehkonsum bereits abgestumpft sind. Es bleibt spannend…
Jahrzehntelang wuchs die US-Wirtschaft (was natürlich auch für Deutschland gilt). Erleben wir nun das Ende des Wachstums?
Ja, sagte Robert J. Gordon unlängst an einer TED-Konferenz. Im Gottlieb Duttweiler Institut erklärt er, was das für Unternehmen bedeutet.
Gordon liefert zahlreiche Gründe in seinem packenden Referat für den anhaltenden Niedergang der amerikanischen Wirtschaft, und ebenso viele Beispiele dafür.
Zusammengefasst befürchtet Gordon, dass ein Schuldenberg epidemischen Ausmaßes und wachsende Ungleichheit die USA in einen Zustand der Lähmung manövrieren könnten, aus dem sie vor lauter Innovationsschwäche nicht mehr herausfinden.
http://oconomicus.wordpress.com/2013/05/23/game-over/
Schrebergärten – Rückbesinnung zur Natur
http://oconomicus.wordpress.com/2013/07/08/schrebergarten-ruckbesinnung-zur-natur/