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Das Märchen vom sauberen Krieg

Fassungslosigkeit-8385Woher kommt es, dass wir uns Bilder vom Krieg in die Wohnung holen und dabei entspannt Popcorn und Bier konsumieren? Wieso lösen Bilder eines Kriegsschauplatzes bei uns keine Emotionen (mehr) aus?

Diese Fragen beschäftigten mich gestern und ich wollte ihnen auf den Grund gehen.

Bereits der zweite Irak-Krieg 2003 hat eine neue Linie der Berichterstattung eingeläutet. Die Pressevertreter wurden aktiv in das Kriegsgeschehen eingebunden und es wurde ihnen auf Schritt und Tritt ein Kriegs-Fachmann zur Seite gestellt. Ebenso durften sie die technische Überlegenheit begutachten – ein bei Männern nicht zu unterschätzender emotionaler Triumph. Wer möchte nicht gerne mal auf der Kommandobrücke stehen, in einem Jetcockpit sitzen oder sich den Kopf in einem Panzer wund scheuern? Allen anderen bleibt sonst nur der Rausch eines Black Fridays

Wenn ich mir die Berichterstattung aus 2003 ins Gedächtnis rufe, erinnere ich mich noch an die Intros, die an Hollywood-Filme erinnern, an technische Gimmicks, welche die Sauberkeit und Präzision des Kriegs unterstreichten, und an begeisterte Kommentatoren.

Bleiben wir aber noch kurz bei Hollywood. Die Filme aus den dort ansässigen Studios der letzten Jahrzehnten sind an Brutalität kaum zu überbieten. Die pro Filmminute in Szene gesetzten Toten kaum noch zählbar. So wundert es mich nicht, dass durch die Dauerberieselung über die letzten Jahrzehnte unsere Gewalt-Hemmschwelle stets sank. Wir sind kaum noch fähig, zwischen der aufbereiteten Wirklichkeit eines Kriegsschauplatzes und der Fiktion aus den Studios zu unterscheiden. Die Grenzen verschwimmen zunehmend.

So verwundert es auch nicht weiter, dass die heutige Generation bei Hitchcocks Vögeln am Ende des Films fragen, wann denn nun der Gruselfilm beginnt? Das bisher gesehene doch nur kalter Kaffee war…

Derjenige, der dann noch nicht abgestumpft (genug), fassungslos die Bilder betrachtet, bekommt dann vom Kommentator eine technische Überlegenheit und Präzision vorgeführt. Es wird eine Kriegsführung suggeriert, die ohne Fehler verläuft. Die Technik so präzise sein Ziel trifft und zivile Schäden minimiert. Die treue Zuhörerschaft wird so stetig erweitert und hat auch längst das weibliche Geschlecht für sich gewonnen. Patriotismus hat nun mal seinen Preis!

Wenn es dann doch einmal – und das ist eher der Normalfall, auch im modernen Drohnenkrieg – schief geht, mit der ach so genauen Technik, dann wird dies durch eine verharmlosende Wortwahl bereinigt. Dann ist die Rede von Kollateralschaden oder friendly fire. Zur Rechenschaft werden die ausführenden Soldaten höchst selten gezogen, so dass hier nicht versehentlich manch einer über den Irrsinn seines Tuns ins Grübeln kommt. Das darf aber nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass viele Soldaten nach dem Krieg traumatisiert in ihre Heimat zurück kommen. Wo keine zeitnahe kritische Aufarbeitung stattfinden darf ist die Traumatisierung die natürliche Folge, bei denen die zahlreichen Psychologen auch keine wirkliche Hoffnung auf Besserung darstellen.

Als beim Vietnamkrieg die US-Luftwaffe die Stadt Ben Tre wegen einer handvoll Guerillakämpfer vollständig zerstörten, war die offizielle Antwort eines Kommandanten zur Rechtfertigung der Aktion die, dass die Bombardierung notwendig war, um die Stadt vor dem Kommunismus zu retten.
An der Vorgehensweise hat sich seit dem nicht viel geändert, lediglich die Rechtfertigung basiert heute auf subtilere „Fakten“ und statt Napalm verwendet man heute Hellfire.

Zurück in die gute Stube. Durch die Dauerberieselung der Bildschirmtoten sinkt die Emotionsschwelle stetig. Wir sind gar nicht mehr in der Lage, für die im Sekundentakt einprasselnden Bildschirmtoten eine emotionale Regung auf zu bauen. Zu übersättigt, zu reizüberflutet ist unsere Wahrnehmung bereits. Dabei sind wir schon so abgestumpft, dass ein Einzelschicksal ebenso im Rauschen untergeht, wie die täglichen Börsenwarnungen.

Der Abstand zum Geschehen und die mediale Aufbereitung, die stets nur eine Seite des Krieges zeigt, ermöglicht es uns, das Märchen vom sauberen Krieg zu glauben. Diese Pille schlucken wir gerne, müssen wir uns doch dann nicht weiter damit beschäftigen, können passiv bleiben und vermeidlich schuldfrei.

Was wäre aber, wenn der Krieg vor unserer Haustüre stattfinden würde? Wäre uns dieser dann auch so gleichgültig?! Wohl kaum. Aber würden wir uns dann nicht auch die Frage stellen, wieso die Menschen anderer Nationen so emotionslos das Geschehen – in dem wir dann die Opfer sind – verfolgen?

Noch können wir die Lage entschärfen, jedoch nur dann, wenn wir nicht passiv die uns vorgesetzten Bilder so hinnehmen, sondern hinterfragen. Sonst sind wir schneller Teilnehmer eines Krieges, den wir nicht länger vom Fernsehsessel aus beobachten können. Der erste Schritt liegt bei uns, in dem wir uns wieder sensibilisieren und die voranschreitende Gewaltabstumpfung stoppen.

Es wird nie soviel gelogen wie vor der Wahl,
während des Krieges und nach der Jagd.
(Otto von Bismarck)

P.S.: Wir stehen einen Monat vor der EU-Wahl, kurz vor dem Krieg (bzw. sind bereits mitten drin) und die (Hetz-)Jagd scheint so langsam auch ihren Höhepunkt gefunden zu haben…
Zu einem Krieg gehören immer (mindestens) zwei Parteien. Jede Aggression in dem derzeitigen „Schauspiel“ führt zu weiteren Rüstungsausgaben und weiteren Aggressionen. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Überschuldung solche Ausmaße angenommen hat, dass eine friedliche Entschuldung als Option in dem Denken nicht mehr vor kommt und sich Geschichte abermals wiederholt. Aber das ist nichts neues, zumindest solange nicht, bis wir als Gesellschaft auch andere Lösungen finden – das wäre dann ein Novum!

Über Ro!and (409 Artikel)
Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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3 Kommentare zu Das Märchen vom sauberen Krieg

  1. Fullfill the highest Law of Cooperation.

    Es geht um die Daseinsberechtigung der Menschheit!

    Dazu ist es erforderlich, sich dem gefühltem Mangel der eigenen Unbedeutsamkeit zu stellen.

    Du kannst nur wahrhaftig Bedeutung erlangen, indem du zuerst anderen diese gibst. Einen anderen Weg gibt es nicht.

  2. Ich setze einfach noch eine kleine Denkhilfe oben drauf. Kinder werden nach besten Kräften vor Pornos geschützt. Dabei ist doch die Maxime der Regierung, die Mehrung der eigenen Population … zur Anregung und Erreichung dieses Zieles kann man gar nicht früh genug mit der Unterstützung durch Pornos einsetzen.

    Gewalt hingegen lehnen wir ja rundherum als Gesellschaft ab, sie ist verächtlich und man soll ja auch keine Leute umbringen, nur derlei Unheil können sich schon die Kinder den ganzen Tag in der Glotze ansehen.

    Das Mindeste was wir also tun könnten, wäre die Verlegung der ganzen Totmachsendungen auf die Zeit nach 2:00 Uhr morgens und die Ausstrahlung der ganzen anregenden Pornos schon unmittelbar nach Schulende, damit wir bildungstechnisch dort einen fließenden Übergang hinbekommen. Hoffentlich habe ich mich klar genug ausgedrückt … sollte doch nun jeder leicht einsehen können, selbst unsere Politiker … 🙂

    • Den Irrsinn logisch zu lösen, scheint in unserer Gesellschaft ein blinder Fleck zu sein.
      Alleine durch Deine Denkhilfe hätten wir eine ausgeglichene Population in der westlichen Himmelsphäre. Dies würde (bei einigen Scharfdenkern) sofort die Frage nach der Ernährung auf sich werfen – zumindest solange, wie man nicht auf das täglich Weggeworfene achtet. Wie gut doch, dass Monsanto und Co. auch hierfür eine Lösung haben, bei der man nicht einmal sich die Hände schmutzig machen muss…

      Achtung: Wer Ironie findet, auf keinen Fall wegwerfen! Es könnte sein, dass man diese in naher Zukunft noch braucht…

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