Die Demütigung des Menschen
Der Mensch, einst die Krone der Schöpfung, bekommt Risse. Längst können seine technischen Erfindungen uns auf (nahezu) allen Gebieten den Rang ablaufen. Nicht nur, dass diese Geräte längst die Lüfte und die Meere erobert haben, auch auf dem Land sind sie uns bei weitem überlegen. Flugzeuge durchbrechen die Schallmauer und lassen damit alles hinter sich, Unterseeboote tauchen tiefer als jedes andere Lebewesen und auch an Land schlägt ein gewöhnliches Automobil bereits jedes Lebewesen unter gleichen Bedingungen. Die Erfindung des Computers hat uns dann auch noch den letzten Zacken aus der Krone gebrochen. Längst rechnet dieser schneller als alles, was in unsere Vorstellungskraft fassen kann und dazu auch noch korrekter…
Und da stehen wir nun vor all diesen Errungenschaften menschlicher Schöpferkraft. Erblassen vor dessen Sein. Ein Ding, dass vom Stand heraus alles kann, das nicht WERDEN muss, das einfach IST!
Wie klein wirkt da der Mensch? Der nicht einmal sich selbst am Leben erhalten kann, wenn er geboren ist. Jahrelange Hilfe und Fürsorge begleiten seine ersten und auch seine letzten Jahre.
Steht er dann zwischen diesen Jahren in einer verantwortungsvollen Position, so versagt er auch dort kläglich. Nicht das technische Versagen wird zur Hauptursache, nein das menschliche Versagen. Ob als Folge nun Millionen Liter Öl der Deepwater Horizon die Umwelt verpesten oder eine Challenger am Himmel verglüht und alle Hoffnungen den Weltraum zu erforschen, schwinden. Beispiele wie diese gibt es genügend. Der Mensch wird zur Fehlkonstruktion.
Es ist also nur konsequent, wenn auch die umstrittenste Domäne menschlichen Handelns mechanisiert wird: der Krieg. Fehler sollen gerade in diesem Bereich ausgeschlossen werden, zu heikel ein Fehler. Krieg wird so sauber und makellos – eine Inszenierung für unser Abendprogramm. Bereits in den 80ern thematisierte der Film „WarGames – Kriegsspiele“ die Problematik und weist gleichzeitig auf die Gefahren eines kühlen Rechenwerks hin, welches nur nach dem idealen Programm verfährt, ohne Gefühle und ohne Einsicht, zumindest scheinbar. Das Happy-End – zweifellos im Sinne von Hollywood – überrascht dann. Der kühle, graue Rechenklotz wird menschlich und tut das menschliche, er bricht den atomaren Krieg mit den Worten:
Ein seltsames Spiel. Der einzig gewinnbringende Zug ist, nicht zu spielen.
ab. Die Menschheit ist gerettet und alle fallen sich in die Arme.
Auch hier wieder zeigt uns – wenn auch nur im Geiste des Autors – die Maschine auf, was richtig und was falsch ist. Sie handelt und rettet uns Menschen.
Und was machen wir heute?
Seit dem Erscheinen des Films sind nun gut drei Jahrzehnte vergangen. Und unzählige weitere Demütigungen musste der Mensch erfahren. Wie klein muss der einzelne sich doch fühlen, wie unbedeutend sein Dasein? Wie gut, dass diese Demütigung nicht alle Menschen lähmt. Ein paar wenige handeln, handeln nach ihren Plänen. Und was ist mit den restlichen Menschen?
Es erscheint aus der Makroperspektive in der Tat unbedeutend, was der einzelne Mensch denkt und macht. Statistisch gesehen, verbringen wir einen Teil unserer Zeit im Schlaf, den anderen Teil mit (nutzloser) Arbeitsbeschäftigung, der Rest entfällt auf ungehemmten Konsum und auf Entspannung vor dem Fernseher. Wechselt man die Sicht auf Mikroebene, so wird das Treiben bereits individueller und vielfältiger. Menschen engagieren sich für die Natur, für andere (hilfsbedürftige) Menschen. Forschen und Entdecken, stets auf der Suche nach dem Neuen, dem Unbekannten usw.
Und dennoch scheint etwas aus dem Ruder zu laufen. Die Finanzmärkte entwickeln ihr Eigenleben, genauso wie die Politik. Längst abgewandt von den Menschen werden Modelle entwickelt, die ein anderes Leben versprechen. Nur welches Leben mag das sein? Ein Leben, in dem wir uns den technischen Errungenschaften beugen? Als Mensch immer bedeutungsloser werden? Ein Leben, in dem wir uns all den technische so überlegenen Erfindungen unter ordnen? Ein Leben der Konsum- und Biomasse?
Eines können die Maschinen – trotz all der bemerkenswerten (Einzel-)Eigenschaften noch nicht. Kreativ sein! Auch der Mensch kann nur dann kreativ sein, wenn die Umgebung passt. Wenn die Umgebung ihn unterstützt, ihn ermutigt. Unter ständiger Hetzte, unter ständigem Konsumrausch, unter ständigem Zwang, unter ständigem Druck, unter ständiger Angst ist Kreativität schlicht unmöglich.
Kreativität kann auch nicht gemacht werden. Nicht mit allem Geld der Welt kann ein Mensch jederzeit und immerfort auf Zuruf kreativ sein, sondern nur das abspulen, was er irgendwann einmal aufgeschnappt hat.
Freiheit ist unabdingbar für Kreativität. Die ehemalige Sowjetunion konnte solange von der gesammelten Erfahrung profitieren, wie diese noch frisch war. Zu neuen Errungenschaften war das System eine Sackgasse, der Augenblick des Aufpralls nur eine Frage der Zeit. Auch Japan zeigte eindrucksvoll in den 80 und 90ern im Automobilbereich, wie man die Kopie besser als das Original machen kann – originell jedoch, war dies nicht. Der zwangsweise kommende Einbruch war daher gleichwohl auch nur eine Frage der Zeit. Noch heute ist die japanische Kultur geprägt von Hierarchie und Duldung, keine guten Bedingungen für Kreativität.
Aber auch der Westen, der sich als offen und frei präsentiert, braucht dringend eine neue Lackierung. Der alte Lack ist spröde geworden und blättert von der einst makellosen Fassade ab. Längst offenbaren sich Einsichten an den geöffneten Stellen, die zum Nachdenken anregen. Wie frei sind wir noch bei ständiger Überwachung? Was landet gentechnisch verändert bald auf unseren Tellern? Wie belastbar und produktiv sind wir? Und wie planbar ist unsere Zukunft?
Wie glücklich mögen äußerlich diejenigen Menschen anmuten, die auf längst vergangene Bilder zurückblicken – in der Hoffnung, dass alles sich zum Guten wende. Hoffnungsvoll der leere Blick und gleichzeitig auffordernd, dass doch jemand etwas tun möge, wozu man selbst nicht im Stande ist. Damit das Weltbild nicht ganz zerbricht, beteuert man doch noch schnell, dass man das Gute im Menschen sieht, doch eh nichts tun kann und alles gut wird.
Die Wirklichkeit zeichnet ein anderes Bild, weniger der Zufall steht hier Pate. So kommt, was manch übermächtige Herren, mit all ihren Erfahrungen zustande bringen, ins Rollen. All die Hoffnungen und Wünsche werden zur Bestimmung, das große Schachspiel wird für eröffnet erklärt und die eigenen Spielfiguren zu den Auserwählten. So unvollkommen erscheint der Anspruch des Ziels, eine neue Ordnung, eine Ordnung die umfassend und allgegenwärtig sein soll. Die ewig anhält und doch eines vergisst. Im Keim zerstört zu werden scheint das, was uns Menschen noch von unseren Erfindungen abgrenzt.
Damit erfüllt sich dann die makrospezifische Sicht, die Menschen so gleich macht, so einfältig und plump. Einfach in ihren Schein-Bedürfnissen und schnell zu befriedigen in ihrem nimmer satten Rausch. Mit fortschreitender Mechanisierung unserer Welt erfüllt sich dann auch noch die letzte Prophezeiung: die Beseitigung des Makels, der Fehlkonstruktion Mensch.
Viel optimistischer erscheint es doch, selbst Hand an zu legen und einen Mensch zu schaffen, der unseren vorigen Schöpfungen gleicht, wieder vor allen steht. Vergessen sollten wir nicht die Kreativität, sonst endet auch dieses Experiment an dem was zu beseitigen ihr Ziel war, an der Fehlkonstruktion Mensch.
Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben,
aber sich auf das Schlechte zu verlassen.
(Alfred Polgar)
Vielleicht kann man ja die Kirche im Dorf lassen. Es geht ja nicht um einen Kampf Mensch vs. Maschine. Eher darum, wie wir die Technik nutzen, um als Menschheit wieder überlebendsfähig zu sein.
Liebe Sandra,
ich vermute dieser Kampf hat schon längst begonnen und mit der Automatisierung der Industrie erstmalig ein Gesicht gezeigt. Schaut man sich die „moderne“ Kriegsführung an, bei der Drohnen aus tausenden Kilometern aus gesteuert werden, so fällt es schwer, die Kirche im Dorf zu belassen.
Abwarten und Hoffen kann nicht das Mittel dieser Zeit sein – aber das ist nur meine persönliche Sicht und mag durchaus „gefärbt“ sein.
Stets gilt aber: –> Kultur weicht Technik
Lieber Roland,
im Eigentlichen wissen ja schon sehr viele um die Problematik. Lösungen sind auch da und wären manchmal sogar SEHR SIMPEL. Die Frage ist ja, warum sich nichts tut und wie man dies beheben kann.
Möglicherweise ist KONTROLLVERLUST ein wesentliches Problem.
Das ein bewußter Kontrollverlust auch eingesetzt werden kann, um eigene Grenzbereiche wieder zu öffen, weiß kam Einer. Um sich freiwillig in eine unkontrollierte Situation zu bringen und diese zu meistern benötigt es u.a.:
– Selbsterkenntnis (wo sind meine Grenzen? Indikatoren z.B wie schnell lasse ich mich aus der Ruhe bringen, wie schnell muß ich bei Situationen eingreifen? Kann ich abwarten, bis zum richtigen Timing? )
– Training (z.B. Mountainbiken im Matsch)
– Wissen um Methodik etc…(z.B. Drifttraining auf Eis)
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt dem viele weitere Folgen können.
Hoffen wir, dass viele diesen Weg wählen und nicht der Demütigung verfallen und sich mit Schönheits-OPs versuchen diesem Makel zu entledigen. Denn der Makel ist nicht äußerlich, er kommt von innen und umschließt den ganzen Geist des Menschen.
Vielleicht bemerken sie ja, dass es künftig eher nur Amputationen gibt. Achtung Sarkasmus.