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Die Schule des Werdens

Natur_tiere7Seit dem ich diesen Blog begonnen habe – also vor gut fünf Monaten – beschäftigt mich zunehmend auch ein anderes Thema. Es geht um die Bildung unserer Kinder und damit um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Nachdem ich einige Erfahrungen mit freien Schulen und deren Konzeption gemacht hatte, habe ich die Weihnachtsfeiertage genutzt, mir ein paar Eckpunkte einer freien Schule zu überlegen. Diese Eckpunkte habe ich Ankerpunkte genannt. Herausgekommen sind sieben solcher, an welchen ich die Schule-des-Werdens festgemacht habe.

In diesem Beitrag stelle ich diese Ankerpunkte erstmals einem größeren Kreis vor. Es geht hier zuerst einmal nicht um ein pädagogisches Konzept, das fügt sich im Anschluss ein. Ziel ist, eine Haltung zu umschreiben, welche den Umgang, die Werte, das WERDEN skizziert, mit denen die Kinder in Berührung kommen. Das konkrete WIE – anhand des pädagogischen Konzepts – folgt dieser Haltung.

Seien Sie liebe Leserschaft ermutigt, die Idee weiter zu tragen, so dass diese Schule einmal Wirklichkeit wird!

Ankerpunkte der Schule-des-Werdens

„Das Aussortieren des Unwesentlichen ist der Kern aller Lebensweisheit.“ (Laotse)

Das Leben und Werden in den Städten wird zunehmend von individualistischen Tendenzen geprägt. Durch den fortschreitenden Konsum verschwindet schleichend eine Infrastruktur des Handwerks. Gleichwohl wächst die Bevölkerung in den Städten kontinuierlich an, ohne den daraus entstehenden sozialen Spannungen gewachsen zu sein. Dies führt zu einer zunehmenden Überschuldung der Städte weit über die Milliardengrenze hinaus.
Gleichwohl wächst unser Abhängigkeitsgrad durch die fortschreitende Globalisierung. Eine langfristige Lebensplanung ist so kaum noch möglich. Andere Konzepte sind gefragt.

Unser zukünftiges Leben in der Gesellschaft ist vergleichbar mit einer Reise auf hoher See. Unsere bisherigen Orientierungsmöglichkeiten sind (hier) nicht mehr wirksam und wir müssen uns neuen (unbekannten) Gewalten stellen. Die Schule-des-Werdens bietet einen sicheren Hafen um den Umgang mit dem unbekannten „Element“ lernen zu können, und sich den zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu fühlen.

Die nachfolgend skizzierten Gedanken zu einer Schule-des-Werdens setzt wirkungsvolle Maßnahmen diesem Städtetrend entgegen und eröffnet damit eine Zukunftsperspektive unserer Gesellschaft getreu dem Motto „den Wandel aktiv gestalten“:

  1. Achtsamkeit als Grundhaltung der Begegnung:
    Achtsamkeit ist mehr als Beobachten. Beobachten ist jedoch die Quelle der Achtsamkeit. Beobachten mit allen Sinnen und akzeptieren des Beobachteten (und damit dem Anderen). Erweitern seiner Wahrnehmung durch offene Begegnung. Nutzung seiner Erfahrungen durch Verständnis der Wirkungskreisläufe und damit Voraussetzung für nachhaltiges Handeln.

    „Du kannst vor dem davonlaufen was hinter dir her ist, aber was in dir ist, das holt dich ein.“ (Afrikanisches Sprichwort)

    Achtsamkeit hört daher nicht bei den sozialen Aspekten des Miteinanders auf, sondern bindet alles Leben, alles Sein mit ein. Bei der Nutzung von (begrenzten) Ressourcen ist der Ansatz der Achtsamkeit daher genau so tragend und mit der Frage verbunden, wie ich die Ressourcen einsetzen kann und dessen „Abfälle“ wieder Nutzungskreisläufen zuführen kann, ganz im Sinne von cradle2cradle.

  2. Wirkungsfelder zwischen Ordnung und Unordnung:
    Das Leben hält beides vor, Ordnung wie auch Unordnung. Dieses Spannungsfeld ist Teil der Pädagogik einer Schule-des-Werdens.

    „Man muss die Welt nicht unbedingt verstehen. Wichtiger ist, ihr gewachsen zu sein.“ (Oswald Spengler)

    Am Anfang der Woche werden gemeinsame Aktivitäten geplant. In täglich stattfindenden Besprechungen können diese Planungen wiederum verworfen oder detailliert werden. Die Kinder können so (indirekt) lernen, was Verlässlichkeit ist und wie mit (kurzfristigen) Änderungen umgegangen wird.

  3. Handwerk sichtbar machen:
    Ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Schule-des-Werdens ist die Angliederung von kleinen handwerklichen Berufen in räumlicher Nähe. Es wird angestrebt, dass z.B. ein Fahrrad-Reparatur-Geschäft, eine Schreinerei etc. in unmittelbarer Nähe angesiedelt ist (Campus-Gedanke), bei dem die Kinder eine direkte Möglichkeit haben, das Handwerk zu er-leben.

    „Leben ist, was wir daraus machen.“ (Henry Miller)

    Dieser Teil des Konzepts findet seine Tiefe in der Sekundarstufe. Die Grundlagen dafür werden aber bereits früh gelegt, so kann z.B. ein Bauwagen bereits in der Grundschule den Umgang mit den Werkzeugen vermitteln.
    Ein weiteres Ziel dieser Kooperation mit dem Handwerk ist es, kleineren Betrieben eine Möglichkeit zu geben in einem Biotop-des-Handwerks Nischen zu finden, um z.B. wieder Reparaturen zu ermöglichen, um so der zunehmenden Obsoleszenz entgegenzuwirken. Schule rückt so in den Mittelpunkt des städtischen Lebens.

  4. Natur erleben und soziales Engagement fördern:
    Aufbauend auf dem Handwerk hat der Umgang mit Boden eine besondere Bedeutung, da aus dem Boden neues Leben erwächst. Freiflächen in unmittelbarer Umgebung sollen – in Kooperation mit der Stadt – zu Anbauflächen für Obst und Gemüse werden. Diese Initiative soll Teil der essbaren Stadt dem Beispiel von Andernach folgen.

    „Die wahre Lebenskunst besteht darin, im alltäglichen das Wunderbare zu sehen.“ (Pearl S. Buck)

    Darüber hinaus wird die Schule-des-Werdens auch in der Bevölkerung wahr genommen, da diese öffentlichen „Anbauflächen“ zur Pflege und Ernte jedem aus der Bevölkerung bereit steht. Kontakte mit Bürgern und Bürgerinnen sind so nur eine Frage der Zeit, da die Begegnungsfläche den passenden Raum bietet!

  5. Verantwortung übernehmen, eigenes Handeln reflektieren:
    Die Kinder werden bereits früh ermutigt, spielerisch Verantwortung zu übernehmen und ihr eigenes Handeln zu reflektieren um aus Fehlern lernen zu können und nicht mit vorgefertigten Lösungen „jonglieren“ zu müssen.

    „Erfolg ist nicht endgültig. Misserfolg ist nicht fatal; was zählt ist der Mut weiterzumachen.“ (Winston Churchill)

    Die zuvor genannten Ankerpunkte bieten hier bereits vielfältige Möglichkeiten. Der Umfang des Handelns wächst dabei stetig und soll in der Sekundarstufe so weit gehen, dass von der Planung über die Realisierung und den Verkauf alle Stationen einfließen. So könnten z.B. in der Werkstatt gemeinsam Produkte geplant und erstellt werden, welche auf dem Wochenmarkt verkauft werden. Das Marketing, die Organisation der Herstellung und des Verkaufs, sowie die Reinvestierung des Erlöses ist ebenso Teil der Aktivität, wie die Einbindung der Gemeinschaft (Kinder, Begleiter, Eltern und Bürger/innen).

  6. Einbindung der Gesellschaft:
    Die Schule-des-Werdens soll kein isolierter Ort sein, der keinen Zugang zur Außenwelt hat. Der geschützte Raum der Schule-des-Werdens wird durch Integration von Kindern anderer Nationen genau so erweitert, wie durch Inklusion. Die angebundenen Handwerksbetriebe können darüber hinaus Resozialisierungsprogramme anbieten und so einen weiteren Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenwachsens tragen.

    „Wo ein Begeisterter steht, ist der Gipfel der Welt.“ (Joseph von Eichendorff)

    Durch die Einbindung der Eltern in das pädagogische Konzept in Form regelmäßiger Elternabende im Monatsturnus und im Rahmen von weiteren Aktionen wird das Wachsen der Kinder erlebbar und innerhalb der Familienstruktur fortgeführt. Neben konkreter Materialvorstellung können die Eltern so schrittweise die pädagogische Haltung erfahren und diese – im Sinne eines Multiplikatoreffekts – auch selbst anwenden.
    Durch die Aktionen (essbare Stadt, Verkauf der Eigenerzeugnisse, Angliederung der Handwerksbetriebe) ist eine direkte Begegnung mit den Menschen der Stadt möglich. Dieser Austausch ist ein wesentlicher Bestandteil des pädagogischen Konzepts.

  7. Lebendige Prozesse des Wachsens:
    Die Ankerpunkte stellen Leuchttürme zur Orientierung dar. Die inhaltliche Ausgestaltung muss sich stets an die Gegebenheiten – und damit am jetzt und hier – orientieren.

    „Das Gestern ist Geschichte, das Morgen ist ein Rätsel, aber das Heute ist ein Geschenk.“ (Alice Morse Earle)

    Gleichwohl, darf und muss Bildung auch in die Zukunft wirken. Damit dies geschehen kann, sind lebendige Prozesse notwendig, welche die Wechselwirkungen der Gesellschaft und Zeit berücksichtigt. Daher ist das pädagogische Konzept eine Momentaufnahme und die konkreten Aktivitäten nur Handlungsempfehlungen, welche stets mit offenen Sinnen erweitert, modifiziert oder ersetzt werden.

Freiheit erwächst aus der Mitte der Gesellschaft. Die Schule-des-Werdens ist die Keimzelle in Mitten dieser Gesellschaft. Da das Leben viele noch unbekannte Fragen aufwirft, zu der es heute noch keine Antworten gibt, ist die Schule-des-Werdens offen für Neues. Ein Prozess mit klaren Verantwortlichkeiten und Beschlüssen bildet die Grundlage, damit das grundlegende pädagogische Konzept erhalten bleibt, jedoch offen für neue Antworten auf aktuelle Fragestellungen ist. Eine dieser (absehbaren) Erweiterung wird das Thema Geld/Finanzierung sein. Zu den bereits skizzierten Handwerksbetrieben kann in absehbarer Zeit ein „Geldhaus“ hinzukommen, welche nachhaltige Projekte aktiv unterstützt bzw. finanziert. Auch ein Hofladen, der die Waren anbietet, ist in naher Zukunft vorstellbar und Teil der Konzepterweiterung im Sinne der nachhaltigen Kreisläufe.

Der Fokus liegt dabei auf einer gesellschaftlichen Partnerschaft, die Kräfte wieder bündelt, statt zu polarisieren. Dann ist das Leben in der Stadt auch weiterhin ein Zukunftsmodell.

Eine Stiftung, welche die zentrale Infrastruktur bereitstellt, und das pädagogische Konzept bildet dabei die Grundlage, damit diese Schule-des-Werdens auch in weiteren Städten ihr Potenzial entfalten kann!

„Es gibt nur zwei Fehler, die man auf dem Weg zur Wahrheit machen kann:
nicht den ganzen Weg gehen und nicht beginnen.
(Buddha)

Über Ro!and (409 Artikel)
Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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15 Kommentare zu Die Schule des Werdens

  1. Rudolf Steinmetz // 20. April 2014 um 10:35 //

    Das funktioniert nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Eine Bedingung ist, dass jeder sein eigenes Kreuz auf sich nimmt, d.h. seine existenziellen Bedingungen vollständig annimmt und eine zweite ist, seinen Nächsten noch mehr zu lieben, wie sich selbst.
    Näheres bei Jesus Christus dem Messias
    ODER bei Gurdjieff & Bennett
    ODER bei mir.
    Frohe Ostern!

    • Eine Einheitsschule, die zu jedem Menschen passt, wird es nicht geben. Eine Angebotserweiterung für mehr Selbstbestimmung kann dabei nicht schaden. Das Ziel der Ankerpunkte ist es, diese Selbstbestimmung und Achtsamkeit im Auge zu behalten…

      Ich habe vor über zwanzig Jahren etwas von einem „Sicherheitsprinzip“ gelernt, das ich auch heute noch gerne weitergebe:

      Beispiel Sicherheit:
      – Gewaltfreie Politikgestaltung verlangt Abkehr vom Freund-Feind-Paradigma.
      – Anerkennung des anderen als Subjekt und gemeinsame Interessenwahrnehmung solidarische Interaktion.
      – Sicherheit ist dann erst Sicherheit des anderen, die als gemeinsames Gut erworben und bewahrt werden kann.

  2. Noch vor der Schule kommt die Sozialisierung.

    Wenn ein Lebewesen seinen Platz im Rudel weiß, seinen Mehrwert einbringen kann, ein Kräftemessen schätzt und sich ehrbar verhält.
    … dann kann es in der schule sein volles Potential entfalten.

    … und wir werden eine Wirtschaft haben, die genau diese unterstützt.

    Monopoly ist für die Reste.

    • Vermittlung von innerer Autorität, Authentizität über Vorbilder, Erziehungsarbeit (klare Kommunikation = Wort, Stimme, Körpersprache/ klare Richtung = lernen)

  3. Folgende Hinweise/Ergänzungen habe ich per Mail von René erhalten. Meine Antworten befinden sich im direkten Anschluss zu den Fragen.

    Die Schule-des-Werdens bietet einen sicheren Hafen um den Umgang mit dem unbekannten „Element“ lernen zu können, und sich den zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu fühlen.

    (Sicherer Hafen? Was ist sicher? Lässt die Schule die Welt draussen?)

    „Sicherer Hafen“ soll hier (lediglich) das Bild der Ankerpunkten weiter zeichnen. Konkret geht es um eine vorbereitete Umgebung, analog der von M. Montessori.
    Dieser sichere Hafen lässt – wertfrei – Kinder sich (aus-)probieren und stellt in der Tat eine andere Sicht der Welt dort draußen, die alles und jeden gerne klassifiziert, dar.

    Durch die Einbindung der Eltern in das pädagogische Konzept in Form regelmäßiger Elternabende im Monatsturnus und im Rahmen von weiteren Aktionen wird das Wachsen der Kinder erlebbar und innerhalb der Familienstruktur fortgeführt.

    (Ob alle Eltern Lust haben, jeden Monat zum Elternabend zu gehen und sich darüber hinaus weiter in das Schulgeschehen einbinden zu lassen?)

    Bei Elterninitiativen ist es sogar gängig, dass 14-tägige Treffen stattfinden (im Wechsel organisatorische und pädagogische).
    Es ist leider ein Denken unserer Zeit, dass Primär-Bildung nur ein „Vertrag“ zwischen dem Lehrer und dem Schüler ist. Vielmehr ist es eine Partnerschaft von mindestens Schüler, Lehrer und Eltern – idealerweise aber auch der Gesellschaft.
    Ein Elternabend, der Lust und Freude bereitet und damit auch das Lernen be-greifbar macht, kann (hoffentlich) diesen Graben überwinden.

    Freiheit erwächst aus der Mitte der Gesellschaft. Die ist die Keimzelle in Mitten dieser Gesellschaft.

    („Das Neue kommt von den Rändern“ Heiner Müller. Wäre die „MItte der Gesellschaft“ gesund, könnten wir drüber reden.)

    Die Ränder stehen vor den Toren der Stadt und müssen um Einlass bitten. Herein kommt derzeit nur der, der gewünscht ist. Beginnen wir aber mit der Keimzelle in mitten der Stadt, so kann sich diese ohne Mauern ausbreiten!

    Der Punkt 4 im Konzept ist bereits am Laufen. Wenn sich dann in ein paar Monaten zeigt, dass diese Idee das Potential hat, Menschen zu verbinden, ist dies nicht nur graue Theorie sondern gelebte Praxis.

    Zu den bereits skizzierten Handwerksbetrieben kann in absehbarer Zeit ein „Geldhaus“ hinzukommen, welche nachhaltige Projekte aktiv unterstützt bzw. finanziert. Auch ein Hofladen, der die Waren anbietet, ist in naher Zukunft vorstellbar und Teil der Konzepterweiterung im Sinne der nachhaltigen Kreisläufe.

    (Warenproduktion, Konkurrenz im Umfeld, wie verkaufe ich meine Waren? Was ist ein „Geldhaus“? Eine Bank, die Zinsen nimmt?)

    Sehr konkrete Fragen, die sich ergeben müssen. Konkurrenz ist dabei kein Ausschlusskriterium, sondern wesentlicher Bestandteil einer gesunden Gesellschaft. Der Verkauf ist wie gesagt mittels einem Hofladen bzw. in einen der unzähligen Märkte in einer Großstadt möglich.
    Ein Geldhaus hat weniger mit der Tätigkeit einer aktuellen Bank zu tun, sondern eher das, was die Bank früher zu Leisten im Stande war – nämlich als Katalysator für Ideen zu fungieren. Am Zins ist zunächst moralisch nichts verwerfliches, der Zinseszins macht erst das Gift. Selbst die fortschrittlichen Thesen eines Silvio Gesells legitimiert den Urzins. Dennoch ist es nicht das Ziel eines solchen „Geldhauses“ Zinsen zu verwalten, sondern nachhaltige Ideen zu fördern, die von den Kindern kommen…

    Fortsetzung im 2. Beitrag…

  4. wunderbarer Artikel, sehr guter Ansatz für eine Bildung des Herzens für das Leben.

    Ich habe für Interessierte noch diese beiden Artikel zu bieten:

    Kritik an unserem Schulsystem: darüber, wie wir unsere Kinder verdummen ….

    So sollte Schule funktionieren: über Erfahrungsräume im Umgang mit Unvorhersehbarem und Übernahme von Verantwortung

    Viele Grüße
    Martin

  5. Auf Geolitico habe ich zu einem Beitrag folgenden Kommentar zur SdW hinterlassen (und nachfolgende Antworten bekommen):

    Wie Herr Ludwig treffend feststellt: „Das Geistesleben mit dem Bildungssystem ist letztlich der Quell aller gesellschaftlichen Gestaltungen.“

    Aus diesem Grund habe ich mich vor zwei Jahren daran gemacht, eine konkrete Schule zu skizzieren. Ergebnis ist die Schule des Werdens mit nachfolgenden Eckpunkten/Ankerpunkten:

    (besser formatiert und weitere Infos auf der Projekt-Seite: http://www.schule-des-werdens.de/ankerpunkte/ )

    […]

    • hubi stendahl // 20. Februar 2016 um 11:48 //

      (Quelle) hubi stendahl // 19. Februar 2016 um 19:29

      @Roland

      Vorweg genommen. Ihr Engagement findet meine größte Hochachtung! Dennoch……

      Ich habe mich mit Ihren Verlinkungen beschäftigt, obwohl unsere beiden Söhne ihre Ausbildung bis zur Beendigung der Studienzeit bereits hinter sich haben. Schon während der Frühphase war für Eltern auch in den 80igern klar, dass ideologiefreie Erziehung unter Zuhilfenahme staatlicher Institutionen nahezu unmöglich war. Letztlich sind/waren auch die Waldorf Schulen nichts anderes, als eine ideologieverhaftete Alternative ( z.B. Rudolf Steiner ) zur etablierten staatlichen Bildung. So haben wir bis zum Abitur unsere Kinder in Privatschulen gegeben, die ein Höchstmaß an freiheitlicher Entwicklung einerseits und Beachtung naturgesetzlicher Grundwerte, frei von gesellschaftspolitschen Dogmen, vermittelte.
      Der Erfolg gibt uns recht. Auch wenn das tägliche Überbrücken von 80 km zum Schulort und die Mehrkosten eine erhebliche Belastung darstellten.

      Was mir nicht gefällt, geht aus Ihrem nachfolgenden Text hervor, der eine Einbindung der Eltern in ein vorher festgelegtes Konzept verspricht. Im Umkehrschluss bedeutet es nichts anderes, als dass eine Lebensweise aufgzeigt werden soll, die als naturgesetzlicher Grundwert gesetzt wird. Obwohl ich persönlich dieses Engegament als lobens/- und nachahmenswert bezeichne, hat es doch eine schwerwiegende Problematik. Ein Naturgesetz ist Ihre und meine Sichtweise der Dinge nicht, sodass ein solches Konzept nach meiner Auffassung nur als Konkurrenz zu vielen Ideen akzeptabel ist.

      Mit der Erfahrung meiner Frau und mir würde ich mir wünschen, dass der Staat ausschließlich Prüfungen hinsichtlich der Qualität zur Vermittlung von Grundfächern
      absolviert und weiteregehende wichtige soziologische Aspekte in der Verantwortung der Eltern verbleiben. Dann ist die natürliche Vielfalt und Konkurrenz zur prosperierenden Weiterentwicklung des Kindes am ehesten gegeben. Ob sie aufgrund der individuellen Situation dann Gebrauch von einem Angebot wie dem Ihren machen, muss bei den Eltern verbleiben, die vom ersten Tag an, auch durch die seelische Nähe zum Kind, am besten abschätzen können was förderlich ist.

      So gesehen wäre es wichtig, dass engagierte Menschen wie Sie auch dafür kämpfen, dass der Staat, abgesehen von einem pauschalen Bildungszuschuss und der Erarbeitung eines Grundbildungsangebots, sich aus der Bildung vollständig heraushält, um sicherzustellen, dass Eltern ZUM BEISPIEL Ihrem Angebot näher treten können, ohne Nachteilen ausgesetzt zu sein. Einer von unseren Beiden wäre bestimmt aus eigenem Antrieb dabei gewesen.

      Alles Gute !

      Ihr zitierter Text aus der Verlinkung:

      „Durch die Einbindung der Eltern in das pädagogische Konzept in Form regelmäßiger Elternabende im Monatsturnus und im Rahmen von weiteren Aktionen wird das Wachsen der Kinder erlebbar und innerhalb der Familienstruktur fortgeführt. Neben konkreter Materialvorstellung können die Eltern so schrittweise die pädagogische Haltung erfahren und diese – im Sinne eines Multiplikatoreffekts – auch selbst anwenden.
      Durch die Aktionen (essbare Stadt, Verkauf der Eigenerzeugnisse, Angliederung der Handwerksbetriebe) ist eine direkte Begegnung mit den Menschen der Stadt möglich. Dieser Austausch ist ein wesentlicher Bestandteil des pädagogischen Konzepts.“

      • @hubi stendahl:
        Danke für die Ergänzungen und Anmerkungen.
        Die große Gefahr von jedem „System“ ist dessen Angreifbarkeit, wenn nur noch nach den Regeln des Systems verfahren wird, statt diese stets zu hinterfragen. Das ich die Waldorfschulen nicht aus meiner Kritik heraushalte, habe ich hier in einem Gastbeitrag bereits geschrieben:
        http://www.geolitico.de/2013/12/03/wir-brauchen-ein-bildungsideal/
        (Leider sind auch hier die zahlreichen Kommentare, gerade hinsichtlich Waldorfschule verschwunden und ein Backup scheint bei Geolitico nicht zu existieren. Aus diesem Grunde werde ich zukünftig alle Anmerkungen in meinen Blog übernehmen.)

        Die Einbindung der Eltern ist für eine freie Schule ganz wesentlich, letztendlich sind alle Beteiligte die Träger einer solchen Schule. Nicht nur die Kinder sollen ja an den unzähligen Eindrücken und Erlebnissen an dieser Welt wachsen, sondern auch die Eltern mit ihren Kindern (-> Kreislauf des Lernens). Das wäre aber fast wieder ein eigener Beitrag, welcher unsere lineare Denkweise aufzeigt, welche gerne nach vorne „verlängert“ und nach hinten, die unzähligen Wechselwirkungen aber nicht (be-)achtet.

        Daher habe ich auch versucht den Rahmen dieser Schule-des-Werdens (SdW) mit Ankerpunkten zu versehen und nicht als Pflöcke in den Boden zu rammen. So lässt sich der Anker lösen und an einer geeigneteren Stelle wieder (ver-)ankern. Daraus folgt auch, dass nicht jeder „Anker“ für jeden Menschen passt. Die SdW stellt somit ein Lern-Angebot unter vielen dar.

        Eines ist mir aber durch viele persönlichen Gespräche – z.B. mit Gerald Hüther, Lienhard Valentin… – klar geworden. Eine solche Initiative startet man nicht alleine, sondern nur in einer Gemeinschaft. Diese zu finden, ist die eigentliche Herausforderung unserer Zeit. An Interessenten, die später eine solche Schule „besuchen“ wollen, mangelt es nicht – jedoch an den (notwendigen) „Händen“, damit diese Schule entstehen kann…

        /Update: die Kommentare auf geolitico kann man über das web-archiv noch einsehen: http://web.archive.org/web/20150811105945/http://www.geolitico.de/2013/12/03/wir-brauchen-ein-bildungsideal/

      • (Quelle): Zitrone // 20. Februar 2016 um 13:07

        @hubi stendahl

        Meine Kinder waren auf einer Waldorf Schule, deshalb kann ich Ihrer
        Aussage über diese Schule nicht folgen.

        Ich konnte niemals eine Indoktrination der Kinder feststellen, kann nur
        über sehr engagierte Lehrer und einen vielseitigen Unterrichtsstoff
        berichten, bis hin zu einem Landwirtschaftspraktikum, dem Erlernen
        der russischen Sprache, Schauspielaufführungen oder konzertante
        Ereignisse.

        Jedes Kind hatte z.B. die Möglichkeit ein Instrument zu erlernen, an einem
        Vermessungspraktikum teilzunehmen, mit Holz oder Kupfer handwerklich
        tätig zu sein.

        Selbstverständlich lernten meine Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen uvam..

        Zwischenzeitlich wird das System sicherlich versucht haben, diese Schule
        zu unterwandern, dieses ist allerdings nicht dem Gründer, ergo dem
        Gründungsgedanken dieser Schule anzulasten.

        Phänomen wie man sie an den Staatsschulen vorfindet, bin ich nicht begegnet,
        im Gegenteil, das Wesen des werdenden Menschen hatte oberste Priorität.

        „Nur durch ein deutliches Bewusstsein davon, wie die einzelnen Erziehung-
        maßnahmen auf den jungen Menschen wirken, kann der Erzieher immer
        den richtigen Takt finden, um im einzelnen Falle das Richtige zu treffen.“

        Auszug aus: „Die Erziehung des Kindes – vom Gesichtspunkte der
        Geisteswissenschaft“ von Rudolf Steiner.

        • @Zitrone:
          Das erinnert mich an unseren Disput zum Beitrag „Wir brauchen ein Bildungsideal!“.

          Es kommt einfach zu sehr auf den Lehrkörper an, das (ideologische) Gerüst kann da nur unterstützend wirken. Daher wird es auch immer negative Beispiele aus der Waldorfschule geben, wie auch positive. In dem ganzen Bildungsozean mögen die positiven bei der Waldorfschule überwiegen, was aber nicht bedeutet, dass man auch an diesem Konzept nicht noch etwas nachjustieren könnte. Hier zeigt sich aber, dass ein „Übervater“ wie Rudolf Steiner es nun einmal für die Waldorfschule ist, es nicht einfach macht…

    • (Quelle): NoFiatMoney // 19. Februar 2016 um 19:47

      @Roland

      Wenn ich Sie recht verstehe, gehen Sie bei Ihrem Konzept davon aus, es sollte im staatszentrierten Betrieb angewandt werden?

      Falls es so sein sollte, melde ich Widerspruch an. Auch in der Bildung ist Wettbewerb unterschiedlichster Ausgestaltungen allemal besser als Konfektionsware.

      Wohin die Entwicklungen in DL führten, erlebt jeder, der nach Mitarbeitern sucht. In Schulzeugnisse ist kein Vertrauen mehr zu setzen. Tests sind nötig und längst Praxis.

      Schöne Beschreibungen des von der Politik verursachten Desasters -unter dem die Schüler, welche in erster Linie die Opfer sind, ihr Leben lang werden leiden müssen- bietet z.B. Konrad Paul Liessmann in seinen Büchern „Geisterstunde: Die Praxis der Unbildung“ und „Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft“.

      Spannend und aufregend.

    • (Quelle): Elisa // 21. Februar 2016 um 11:42

      @ Roland

      Ja wunderbar! Jetzt dürfen Sie auch noch sagen, wieviel diese Ausbildung kostet pro Kind und Jahr. Und dann dürfen Sie auch noch angeben, wer das zu zahlen hat. Dann sind wir wieder auf dem Boden der Realität.

      Schulmodelle, die nur für eine kleine Gruppe Kinder mit begüterten Eltern in Frage kommen, kann diese betroffene Gruppe unter sich ausmachen. Ich gönne ihnen alles Gute dieser Erde. Aber für die staatlichen Schulen ist das hier keine reale Diskussion.

      Meiner Meinung nach sollten mal in erster Linie die staatlichen Schulen einer Reform zugeführt werden, in der die Kinder gemäss ihren Fähigkeiten optimal gefördert werden. Das ist diffizil genug und bedarf nicht nur guter Lehrer, sondern auch einer raffinierten Logistik, guter Organisation und einer von allen Seiten bereitschaftlichen Flexibilität. Und eines sollte auch klar sein, es fallen beim besten Schulsystem immer wieder einzelne Kinder und Schüler durch die Maschen des Systems.

      Kinder und Jugendliche entwickeln sich zeitlich unterschiedlich und reagieren sensibel auf ihr Umfeld und ihre Lehrerschaft.

      Es ist unerträglich langweilig für ein aufgewecktes Kind zu warten, bis der hinterletzte Schüler aus Afghanistan oder der Sahelzone oder sonst woher auch mal begriffen hat, was Sache ist. Nicht weil das fremdländische Kind dumm ist, sondern weil es massgebliche Sprachdefizite und kulturelle Dissonanzen mitbringt, die es erst mal überwinden muss.

      Es ist unerträglich blockierend für ein Kind, wenn es vom Verständnis her länger als seine Kollegen hat, dafür aber, wenn es die Sache begriffen hat, schnell wieder aufholt. Ein solches Kind hat nicht zwangsläufig ein Defizit der Intelligenz, sondern einfach einen anderen Lernrhythmus. Auf solches geht unser Schulsystem überhaupt nicht ein.

      Es kann unerträglich langweilig für ein Kind werden, in den öden Schulbänken permanent theoretischen Stoff ins Hirn träufeln zu lassen, mit dem es nicht aktiv leben kann. Da bleibt unter Umständen wenig hängen, weil seine Verständniswelt erst im Kontakt und in der Interaktion mit Mensch, Natur und der Wechselbeziehung zwischen Handwerklichem und Theoretischem zum Aufblühen kommt und zu neuen Ideen führt. Usw. usw. usw.

      Für solches hat der Staat kein Geld locker gemacht. Aber jetzt für die Integration von Asylantenkinder werden Milliarden bereitgestellt. Meine Herrschaften, da stimmt schon lange Einiges nicht mehr im Staate Deutschland.

      • @Elisa:

        „Jetzt dürfen Sie auch noch sagen, wieviel diese Ausbildung kostet pro Kind und Jahr. Und dann dürfen Sie auch noch angeben, wer das zu zahlen hat. Dann sind wir wieder auf dem Boden der Realität.“

        Geht man davon aus, dass die Schule-des-Werdens staatlich anerkannt wird, muss man mit ca. 400 EUR Schulgeld/Monat rechnen. Dies ist notwendig um die Lernbegleiter auch adäquat bezahlen zu können. Wenn Sie sich andere freie Schulen ansehen, ist das kein unüblicher Betrag.
        Das dies für einen Harz-IV-Empfänger nicht zu stemmen ist, ist klar. Es geht auch nicht darum, die Welt zu verbessern. Es geht darum eine Alternative zu öffnen. Ewige Diskussionen führen irgendwann nur noch zum „modellgetriebenen“ Perfekten und bleiben damit ein reines Gedankengebäude.

        „Aber für die staatlichen Schulen ist das hier keine reale Diskussion.“

        Schauen Sie sich die Projektseite an, dann werden Sie erkennen, dass ich ein Modul „das des Dialog-Gartens“ vor zwei Jahren mit drei staatlichen Schulen erproben konnte.
        Das ist ja gerade das spannende an dem Projekt. Man kann sich auch Teile herausnehmen, um neue Wege zu gehen.

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