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Kooperation oder Konfrontation?!

Personen_veranstaltung16Menschen sind nicht gleich – und das ist auch gut so. Was aber unterscheidet uns in der Zielsetzung? Was veranlasst Menschen in einer Aufgabenstellung zur Kooperation mit anderen und was ist der Auslöser, dass man auf seinen eigenen – und ausschließlich auf diesen – Erfolg setzt?

Ich hatte vor etwas mehr als zehn Jahren das Glück, dass ich als Dozent an der Dualen Hochschule (früher hieß diese noch Berufsakademie) ein eigenen Kurs halten durfte. Mein Thema war das des Wissensmanagements. Da ich zu anfangs noch kein Material für eine Vorlesung hatte, machte ich mich zuerst einmal daran, überhaupt die wesentlichen Inhalte fest zu legen. So kurzfristig konnte ich keine 30 Stunden füllen und so wuchs der Kursinhalt stetig. Nach ein paar Jahren standen dann die Bausteine: Lernen, (vernetztes) Denken, Wissen und Handeln. Sowie flankierend Führen, Kommunikation und Kooperation.
Als Bild sehen die Bausteine wie folgt aus:

Vorlesungsbausteine

Der letzte Baustein, den ich erstellt hatte, war der der Kooperation. Es gab kaum brauchbare Literatur darüber und auch sonst war das Thema sehr weich. Ein Gruppenversuch brachte ich jedoch schon früh in die Vorlesung mit ein. Im Kern geht es um das Gefangenendilemma, bei dem zwei Verdächtige unabhängig voneinander verhört werden. Zum genauen Ablauf gibt es in der Wikipedia einen Artikel, so dass ich mir hier weitere Vertiefungen spare.

Die abgewandte Fassung nennt sich Spiel der gemeinschaftlichen Investition.

Der Spielaufbau ist ähnlich dem Gefangenendilemma. Zuerst werden Gruppen gebildet, die räumlich abgegrenzt werden. Keine Gruppe darf über ihre Gruppengrenze hinaus kommunizieren. Innerhalb der Gruppe ist es erlaubt. Jede Gruppe bekommt als Anfangskredit 20 EUR.

Pro Spielrunde kann jede Gruppe max. 20 EUR investieren. Diese Investition kommt in einen gemeinsamen Topf. Damit jede Gruppe unabhängig entscheiden kann, wie viel sie investiert, handelt sie den Betrag 0 – 20 EUR in der Gruppe aus und schreibt diese verborgen auf einen Zettel. Nachdem alle Zettel eingesammelt sind, lese ich (in der Rolle des Neutralen) laut den Betrag und die jeweilige Gruppe vor.

Alle Investitionen kommen zusammen in einen Topf und werden mit 50% verzinst. Der dann sich ergebende Betrag wird zu gleichen Teilen an alle Gruppen zurück gegeben.

Bevor es los geht, wird die Aufgabenstellung kommuniziert. Sie lautet:

Maximiert Euer Guthaben.

Es geht also los. Bei vier bis fünf Gruppen ist meistens eine dabei, die in der ersten Runde (fast) 20 EUR investiert, eine andere 0 EUR und der Rest zaghaft 3-10 EUR. Nach der ersten Runde hat dann meistens die Gruppe mit 20 EUR etwas weniger als 20 EUR für die zweite Runde, die mit 0 EUR Invest ist bereits bei etwa 25 EUR. Die nächsten beiden Runden sind dann spannend, ob jeder bei seiner Strategie bleibt.

Vereinzelt (etwa bei jeder 15. Gruppe) kommt die Nachfrage, ob bei der Aufgabenstellung nun die Maximierung der Gruppe oder Aller gemeint ist. Dazu aber kein Kommentar, da die Aufgabenstellung bewusst unklar gehalten ist.

Nach drei Runde baue ich dann eine Sonderrunde ein. Diese trägt nichts zum Ziel bei, hat aber eine andere Wirkung. Es ist eine Strafrunde – die einzige Möglichkeit, das Verhalten der anderen Gruppen zu beeinflussen bzw. zu ermahnen.

Bei dieser Strafrunde können die Gruppen max. drei EUR investieren, wobei ihre jeweilige Investition bei der/den anderen Gruppen den dreifachen Betrag an Strafe kosten. Setzt eine Gruppe z.B. 2 EUR auf Gruppe 1, so würde der Gruppe 1 in dieser Runde 3*2, also 6 EUR entzogen.

So irrational diese Runde für die Zielerreichung ist, so oft wird sie genutzt. Der Grund ist einfach. Es ist eine Strafrunde und diese wird zum einen von den konfrontationsfreudigen gerne genutzt um Konkurrenten auszuschalten und von den kooperationsfreudigen als einzige Möglichkeit, darauf hin zu weisen, dass ihre Strategie nicht dem Gemeinwohl dient. Eine andere Möglichkeit zur Kommunikation ist ja ausgeschlossen!

So irrational also manche Dinge erscheinen mögen, so reinigend sind sie doch und daher wichtig.

Ich habe dieses Spiel der gemeinschaftlichen Investition nun schon mehrfach mit den Studenten gespielt. Nach ca. fünf Runden und zwei Strafrunden sind die Anfangsinvestitionen von 20 EUR bei den wenigsten noch vorhanden. In Summe über alle Gruppen kam bisher keine über die Anfangsinvestition.

Hätten alle jedoch immer die maximalen 20 EUR investiert, so wäre bei fünf Gruppen das verfügbare Kapital von anfangs 100 EUR (5*20 EUR) auf stolze 280 EUR gewachsen! Jede Gruppe hätte also ein End-Guthaben von 70 EUR erzielen können und somit 50 EUR Gewinn.

Gleichwohl wäre in der Maximalkonstellation, wenn eine Gruppe nie etwas investiert und alle anderen immer das Maximum, ein höherer Einzelbetrag erzielbar gewesen. Er liegt dann bei 132,50 EUR pro Gruppe.

SpielTabelle
Das Interessante an diesem Versuch ist für mich immer wieder, wenn innerhalb einer Gruppe die eigentliche Strategie (Kooperation, also Gesamtmaximum als Ziel – bzw. Konfrontation, also Maximum nur in der Gruppe) gewechselt wird. Ebenso, die Erkenntnis, dass es fast unmöglich ist, eine Konfrontationsgruppe vom eingeschlagenen Kurs ab zu halten.

Bei allen Spielen haben es die Kooperationsgruppen nie zustande gebracht, die Konfrontationsgruppe zu bestrafen und von ihrem Kurs ab zu bringen. Entweder waren sie so auf das Ziel fixiert, dass sie die Strafpunkte nicht genutzt hatten (was aus Sicht der Aufgabe ja korrekt ist), oder sie Kooperationsgruppen konnten sich nicht zu einer einheitlichen (nonverbalen) Wirkung entschließen.

Was ist nun aber die richtige Strategie?

Vor einigen Jahren wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben. Es ging darum ein Computerprogramm zu entwerfen, dass am besten abschneidet. Es wurden etwa 200 unterschiedliche Programm eingereicht und am Ende stand ein Sieger fest. Das Interessante an dem Programm – das den Namen tit-for-tat trug – war, dass es ganz einfach gestrickt war. Gegenüber den tausenden Programmzeilen anderer Einsendungen hatte es nur wenige Zeilen Code. Der Algorithmus war wie folgt:

1. Sei kooperationsbereit.
2. Triffst Du auf keine kooperationsbereites Umfeld, so wechsel die Strategie im nächsten Zug.
3. Ändert sich das Umfeld wieder und wird kooperationsbereit, so werde du es auch.

Das Programm fing also mit Kooperation an und imitierte dann im nächsten Zug einfach das vorige Verhalten der anderen. Einfach aber genial…

Sag laut, was du willst. Wer schweigt, kriegt die Reste.

Über Ro!and (410 Artikel)
Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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7 Kommentare zu Kooperation oder Konfrontation?!

  1. Simpel. 🙂

    Was lernen wir?

    Die höchste Stufe der Kooperation ist, wenn die Freude der Erkenntnis geteilt werden kann (egal was sie mit sich bringt).

    Die höchste Stufe der Selbsterkenntnis ist erreicht, wenn allein die Freude der Erkenntnis über die Offenbahrungen überwiegt. Die Offenbahrungen, zu sehen welche Dinge im außen nur existieren, weil es dich gibt. (Die Freude über deinen Spiegel, den du nicht im anderen finden konntest.)

    Die Integration von Leben in der Realität ist erreicht, wenn Kommunikation auf Basis einer hohen Stufe der Kooperation wieder möglich ist. Sie ist erreicht, wenn Offenheit direkt zum Ausdruck gebracht werden kann.

    • Das muss das Ziel sein. Es ist nur noch die Frage nach dem Transformations-Prozess oder simpler, dem Weg.

      Makro-ökonomisch kann man mit dem Versuch ganz gut aufzeigen, wie zerstörerisch die Konfrontation ist. Solange es aber geduldet wird, dass einzelne sich auf Kosten der Allgemeinheit einen Vorteil verschaffen, werden in Gesamtwirtschaftlich immer im Mittelfeld spielen…

  2. Der Weg? Das ist das Ende und der Anfang.

    Allein die Tat, dass wir es erkennen, reflektieren, selbständig verarbeiten, benennen, in andere Bereiche übertragen können IST das Ende des Weges.

    Von diesem Stand (Zielkorridor) aus ist es möglich, alle Wege zurück zu gehen, die Lösungen zu finden = der Anfang.

    Wir wissen jetzt, damit wissen es auch andere. (Vertraue der Sogwirkung!) Die Last der Verantwortung (Erkenntnisse, Wissen, Sorge, Wünsche anderer) ist nicht mehr und innerhalb der benannten Kriterien auch nicht mehr möglich. Auf dieser Ebene handelt man selbstverantwortlich = geschlossener Kreislauf.

  3. Lieber Roland,

    vielleicht hast du die eigentliche Macht und Bedeutung der Lösung noch nicht verinnerlicht.

    Wenn du auf der Ebene der höchsten Kooperationsbereitschaft denkst, fühlst und handelst IST ALLES machbar. Auch kannst du offen in Konfrontation gehen, ohne dass diese dir je schadet. Die Art und Weise, dein Motiv entscheidet – basierend auf deiner Würde bist du unantastbar.

    … und ich gebe sie dir.
    … als Zeichen meiner Dankbarkeit.
    … Du warst es, der es möglich gemacht hat.

    • Danke liebe Sandra.
      Die Lösung scheint rational und emotional klar, es gibt letztendlich keinen Weg vorbei an dieser Lösung.
      Es ist lediglich eine Frage der Zeit bis zum Ziel. Hier kommt der menschliche Faktor des Beschleunigens, des Katalysators ins Spiel, denn erst wenn diese Erkenntnis viele erreicht, sind wir auf Kurs.

      Ich (be-)merke immer mehr, je mehr ich los lasse, desto eher gelingt es… seltsam aber wahr.

  4. Wer kann sich wohl einer Formel für die einzige real existierende echte Macht entziehen?

    We share. :-))

    • Die Formel ist klar. Die Hindernisse und Nebelkerzen sind aber noch aktiv.
      Erst wenn die Bildung diese Formel in der Breite lehrt, ist Hoffnung greifbar. Da sich das Falschsystem aber derzeit selbst enttarnt, ist Warten mit einem vorhergehenden Impuls eine Option!

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