Unzufriedenheit
Unzufriedenheit gilt in unserer Gesellschaft oft als negatives Merkmal. Sich mit nichts und niemand zufrieden zu geben. So verwundert es nicht, dass wir gegen eine aufkommende Unzufriedenheit auch schnell ein Mittel bei der Hand haben, um diese entstehende Lücke zu füllen.
Worin besteht aber diese Unzufriedenheit? Kommt dieses Gefühl nicht daher, dass unser Geist etwas begriffen hat, eine Lücke in der aktuellen Situation gefunden hat. Ist Unzufriedenheit nicht eine ständige Bewegung, die unsere Wahrnehmung vergrößern kann? Ist Unzufriedenheit nicht eine in uns ruhende Kraft für Bewegung, für Veränderung?
Wenn wir die Unzufriedenheit aber mit etwas negativen belegen, so besänftigen wird diesen Impuls noch bevor er die Quelle der Unzufriedenheit begreifen kann. Stillen unseren Durst durch Konsum. Kaufen ein größeres und schnelleres Auto und überwinden so (scheinbar) unsere Unzufriedenheit. Wir akzeptieren dann die Begrenztheit unseres Handeln innerhalb der Gesellschaft. Akzeptieren die normative Kraft gesellschaftlicher Regeln, statt sie zu hinterfragen, statt sie auf die Probe zu stellen.
Verbannen wir die Unzufriedenheit und kompensieren diese durch das Streben nach mehr, nach dem größeren Auto, dem smartesten Fernseher, dem neuesten und modernsten Computer, so verlassen wir die Unzufriedenheit und öffnen dem Neid die Tür. Die Unzufriedenheit als eigenständige Kraft der Veränderung wird so zur Gier und zum Neid.
Eine Gesellschaft, die jegliche Unzufriedenheit sogleich mit einem Patentrezept zu stillen sucht – und die tägliche Werbung ist voll von diesen „Angeboten“ – ist auf wackligen Beinen gebaut. Es liegt auch an uns, ob wir unseren Kindern jeglichen Wunsch sofort erfüllen, nur damit wieder Ruhe und Zufriedenheit herrscht, oder ob wir die aufkommende Unzufriedenheit zulassen. Es liegt auch an jedem einzelnen von uns, wie wir dem begegnen. Wie wir auf die quengelnden Kinder schauen, die mit ihrer Unzufriedenheit umgehen lernen.
Es liegt an uns, ob wir uns selbst mit unserer Unzufriedenheit auseinander setzen und unser Bewusstsein erweitern oder der Unzufriedenheit mit Schokolade, Konsum oder auf andere Art und Weise besänftigen.
Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.
(Søren Kierkegaard)
Unzufriedenheit hat eine Richtung! Unzufriedenheit, die sich auf etwas Äußeres zu beziehen scheint (die Andern sind doof und machen alles falsch), kann mit Konsum zugedeckt werden, denn dies ist nur die scheinbare Unzufriedenheit. Tatsächlich liegt hinter jeder Unzufriedenheit aber immer etwas Eigenes, etwas Unbeachtetes. Wenn ich das finde, bin ich mit mir wieder im Einklang und jede Unzufriedenheit ist verschwunden. Insofern ist Unzufriedenheit ein wichtiger und keinesfalls negativer Anzeiger. Schau Dir einfach mal unzufriedene Menschen an, insbesondere wenn da heraus politischer Aktivismus wird. Solche Leute kann man eigentlich nur in den Arm nehmen in der Hoffnung, daß zukünftig nicht aus Unzufriedenheit, sondern aus Erkenntnis und Einsicht gehandelt werden möge.
In dem Wort steckt Frieden, das Gegenteil von Krieg. Wo schon wieder Kriegen drin ist, und schon sind wir beim Konsum, dem Haben-wollen. Wer haben will, hat wohl ein Defizit entdeckt, das er auszugleichen bestrebt ist. Fehlt am Ende ein Sich-nicht-geliebt-fühlen, weil die Selbstliebe vertrieben wurde durch ein Rollenspielen, das durch den Druck unserer Konkurrenzgesellschaft entsteht?