Keine Abkühlung beim Bürgertracking in Sicht
Im Jahr eins nach den Enthüllungen eines Edward Snowden scheint es keine großartige Kehrtwende zu geben. Ein Erklärungsversuch wieso dies so ist und weshalb das Bürgertracking weitergehen wird.
Über die technischen Möglichkeiten der Geheimdienstüberwachung und deren Grenzen habe ich in einem gesonderten Beitrag bereits geschrieben, so dass ich mich hier auf die gesellschaftlichen Möglichkeiten konzentriere.
Seit dem zweiten Weltkrieg gab es in großen Teilen der Welt, im Besonderen jedoch in Europa, mehrere Wellen der Individualisierung. Die Menschen lassen sich heute nicht mehr so einfach steuern wie noch zur Zeit der Industrialisierung. Die Meinungsbildung ist breiter geworden, auch wenn dies nicht überall so erscheinen mag. Auch unsere Arbeitsmodelle haben sich durch die Verlagerung in den Dienstleistungsbereich, in dem bereits der überwiegende Teil der Bevölkerung beschäftigt ist, individualisiert.
Mit dieser Individualisierung ist die Steuerung von Meinungen und Interessen schwerer geworden. Die Schwierigkeit der Steuerung – aus Sicht derjenigen, für die Meinungsvielfalt Gift ist – können in zunehmendem Maß auch nicht mehr die Leitmedien gerecht werden. Es ist schon fast ein (Volks-)Sport geworden, die Manipulationen der Medien aufzudecken. Anhand der sinkenden Verkaufszahlen der Zeitungsverlage ist deren langsamer Verfall sichtbar.
Unverkennbar sind für die Politiker auch die gesellschaftlichen Herausforderungen der nahen Zukunft. Neben den sozialen Herausforderungen kommt nun auch noch das ungewisse Finanzsystem hinzu, welches die Lebensader der Wirtschaft und damit auch des politischen Handelns darstellt. Ich bin mir sicher, dass die Politiker längst begriffen haben, dass es zu einem Kollaps kommen wird und sich die Fragestellung nur noch darauf konzentriert, wie dieser Umbruch möglichst unspektakulär ablaufen kann, damit der Wiederaufbau des Systems mit den gleichen Instrumenten und einer neuen Währung erfolgen kann.
Die Gestaltung dieses Resets erfordert aber auch Kenntnisse der Meinungsvielfalt in der Bevölkerung. Diese wird am einfachsten sichtbar, in dem das Kommunikationsverhalten analysiert wird. Gesetzliche Beschränkungen machen dies aber gerade unmöglich, daher bedient man sich den Umweg über ausländischer Geheimdienste.
Dies mag spekulativ klingen, ist aus meiner Sicht aber die einzige schlüssige Erklärung für das geringe Interesse an einem Kurswechsel.
In der Nachbetrachtung, also aus Sicht des vollzogenen Resets, wird die Notwendigkeit des Bürgertrackings dann positiv herausgestellt. Es wird als Notwendigkeit einer friedvollen Zukunftsgestaltung hervorgehoben. Vergessen wird dabei, dass ein Systemreset keine grundlegende Änderung bringen wird, sondern das gesellschaftliche Problem der Ressourcenverteilung nur um weitere Generationen in die Zukunft verschiebt.
In jedem Wandel steckt auch die Hoffnung, dass neue Konzepte übernommen werden. Dazu müsste aber eine verlässliche Kommunikation stattfinden. Ich bin mir aus heutiger Sicht nicht sicher, ob in der Zeit des laufenden Umbruchs das Internet die gleichen Dienste leisten kann, wie in der aktuellen Phase. Es ist eher zu vermuten, dass die Blaupause einer „neuen“ Gesellschaftsarchitektur abermals hinter verschlossenen Türen gezeichnet wird. Hoffentlich lassen wir uns dann nicht abermals von der medial zelebrierten, als alternativlos dargestellten, Verkündigungs-Show einlullen…
Der Klügere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit,
sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
(Marie von Ebner-Eschenbach)