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Die Angst vor dem Alleinsein

Fassungslosigkeit-8385Schon seit längerer Zeit beobachte ich ein Phänomen unserer Zeit, welches sich bereits im fortgeschrittenen Zustand befindet: die Angst vor dem Alleinsein. Die Angst vor der gesellschaftlichen Ausgrenzung ist sehr alt und wird vermutlich durch unsere frühkindliche Abhängigkeit gegenüber anderen Menschen geprägt. Sind wir in den ersten Jahren doch vollständig abhängig von unseren Mitmenschen. Diese Angst wandelt sich mit der Zeit, behält aber ihre Wesenszüge bei, d.h. die Angst steigt in uns immer dann hoch, wenn wir sozial ausgegrenzt werden. Der Verlust einer Stellung innerhalb einer sozialen Gemeinschaft, z.B. durch einen Arbeitsplatzverlust, kann so diese Angst vor dem Alleinsein – vor der Ausgrenzung – wieder aufkommen lassen.

Nun ist diese Angst sicherlich nichts Neues. Neu hingegen ist jedoch die Art und Weise, wie eine Generation sich mit dieser Angst auseinandersetzt. Das Phänomen der sozialen Medien scheint mir eine Antwort der jüngeren Generation zu sein, sich dieser Angst zu entziehen. Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich das Smartphone in die Hand nehme, wenn ich in der Öffentlichkeit auf etwas warte, um das Gefühl des Alleinseins nicht aufkommen zu lassen. Lieber ‚checke‘ ich meine Mails, statt mich in dem Augenblick mit dem Alleinsein zu konfrontieren. Während der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln scheint diese Ablenkung noch weit fortgeschrittener zu sein.

Die sozialen Netzwerke scheinen hier einen Riss aufhalten zu wollen, welche durch unsere gesellschaftliche Entwicklung zunehmend zu einem großen Graben wird. Die Single-Haushalte nehmen stetig zu, ebenso wie die einstmals verbreitete Großfamilie mit mehreren Generationen unter einem Dach kaum mehr anzutreffen ist. Verschärft sich dieses „Lebensmodell“ doch noch zusätzlich durch den allzeit drohenden Jobverlust, durch den Bruch der Familie (und der damit einhergehenden Lebensgestaltung als Alleinerziehende/r) und nicht zuletzt durch die drängenden ökonomischen Fragen, vor denen wir angesichts begrenzter Ressourcen und wachsenden Konflikten stehen.

Die sozialen Medien können eine Spielwiese sein, in der Kommunikation mit einer Vielzahl unterschiedlicher Charakteren geübt werden kann. In der Beziehungspflege ohne direkten Kontakt geprobt werden kann. In welchen unterschiedliche Meinungen, Modelle und Sichten ausgetauscht werden können, um letztendlich sein eigenes „Lebensmodell“ zu finden. Um so wichtiger ist dann aber auch, dass die entstandenen Daten diese Spielwiese nicht verlassen, um als Auswahlkriterium für einen zukünftigen Job herangezogen zu werden. Zu oft geschieht dies jedoch und der Trend scheint ungebrochen. Vermeidliche günstigere Tarife gibt es dann, wenn das Profil einsehbar ist – das daraus abgeleitete Verhalten in das „Versicherungs-„Modell passt. Das momentan diskutierte Recht-auf-Vergessen ist daher wichtiger denn je, wenn wir die gesellschaftliche Spaltung stoppen wollen.

Kommen wir aber wieder zur Angst vor dem Alleinsein zurück.

Betrachten wir das Wort „Alleinsein“ etwas genauer, so steckt darin das All(es)-ein(s)-Sein. Mit uns selbst eins-Sein erfordert gerade das Alleinsein. Sind wir stets mit dem Äußeren beschäftigt, so kommen wir nicht dazu, uns mit unserem Inneren auseinanderzusetzen. Wir kommen dann auch nicht dazu, dies Angst zu überwinden. Sie wird dann zu unserem ständigen Begleiter. Je mehr wir die Ablenkung im Äußeren suchen um so schwerer fällt es uns, auf unser Inneres zu hören. Ständig ziehen uns die Gedanken wieder nach außen.

Die rechte Zeit, um sich mit dem Inneren zu beschäftigen und den drängenden Fragen der eigenen Existenz und dessen Zweck/Sinn nach zu gehen, scheint die der „Midlife-Crisis“ zu sein. In dieser Mittlebenskrise zwischen 35 und 50 Jahren beschäftigt sich unser Geist zunehmender mit diesen Fragen. Aus dieser Sicht betritt die neue Generation der digital natives bald diesen Lebensabschnitt und es wird interessant sein, welche Lösungsansätze daraus entstehen.

Alleinsein kann es erst geben, wenn die Einsamkeit aufgehört hat.
(Jiddu Krishnamurti)

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Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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1 Kommentar zu Die Angst vor dem Alleinsein

  1. Ich danke dir!

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