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Wenn Informationszwang zur Hetzjagd wird

Kreativ_unschaerfe5Das Informationszeitalter bringt es mit sich, dass wir einer ständig wachsenden Flut an Informationen gegenüber stehen. Unsere Filter sind aber nicht derart darauf eingestellt, schnell wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden. Dies müssen wir erst lernen – dabei führen wir einen Kampf, den wir auf diese Art und Weise nur verlieren können.

Der technische Fortschritt macht es uns nicht gerade einfacher, die wachsenden Informationen in den Griff zu bekommen. Vielmehr sorgt die modernste Technik dafür, dass unsere Aufmerksamkeit zu ihr – und damit der dargebotenen Informationen – gelenkt wird. Die jüngsten Entwicklungen einer SmartWatch zeigt, wohin die Reise geht: es ist nun während einem Gespräch nicht mehr nötig, das Smartphone aus der Tasche zu holen und die eingehende SMS/eMail etc. zu lesen, es reicht zukünftig, vibrationsgesteuert unsere Aufmerksamkeit auf die SmartWatch zu lenken – die Hemmschwelle sinkt langsam aber stetig…

Unsere Aufmerksamkeit ist ein rares Gut, die wir sehr sorgsam einsetzen sollten.

Jede dieser Ablenkungen, so kurz sie auch immer sein mögen, zieht unsere Aufmerksamkeit ab. Ein zwischenmenschliches Gespräch, welches durch stete Aufmerksamkeitsabwanderungen unterbrochen wird, wird nicht die Tiefe erreichen, die notwendig ist, damit sich Menschen (auch emotional) begegnen. Die Kontakte bleiben oberflächlich. Unser Gehirn stellt sich auch zunehmend auf diese Unterbrechungen ein, lernt mit kurzen Aufmerksamkeitshäppchen umzugehen. Der Preis dafür ist, dass wir dann kaum noch in der Lage sind, über einen größeren Zeitraum die Aufmerksamkeit zu fokussieren – unsere Aufmerksamkeitsspanne nimmt stetig ab.

Information ist noch lange kein Wissen.

Zunehmend wird auch klar, dass die Informationsflut uns kein Wissen bringt. Es steigt die Zahl der Informationsfragmente, jedoch ohne die Anleitung, wie wir diese zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Die Zusammenhänge bleiben so auf der Strecke. Wissen entsteht aber erst durch die Kontextualisierung mit bestehenden Informationen. Erst durch den Kontext bekommt die Information den Charakter von Wissen. Erst durch die erkannten Zusammenhänge nutzt uns die Information. Ohne Zusammenhänge ist deren Nutzen begrenzt oder gar kontraproduktiv, wenn lediglich unser Unterbewusstsein davon „beeindruckt“ wird.

Die Situation verschärft sich, da wir zunehmend durch unser Leben hetzen. Die Angst sitzt uns im Nacken, dass wir etwas Entscheidendes verpassen: eine Information uns nicht erreicht, die lebensentscheidend ist. Unser Kontrollwahn bekommt damit zusätzlich Nahrung. In Zeiten des Umbruchs ist ein Informationsvorsprung dabei in der Tat entscheidend. Nicht nur wer an der Börse handelt, kann den Informationsvorsprung zu barem machen, auch im Beruf ist ein mehr an Information zuweilen hilfreich. Jeder kennt wohl die Situation, nach drei Wochen Urlaub die eingegangenen eMails zu checken, um sich wieder auf den aktuellen Stand zu bringen, um nichts zu verpassen.

Was machen wir also, um der wachsenden Informationsdichte gerecht zu werden? Wir beschleunigen unser physisches Leben. Das dies auf Dauer nicht gut gehen kann, der Körper die Reißleine zieht, lässt sich an den steigenden Zahlen von Burn-out-Fällen ablesen. Unser digitales und unser physisches Leben driften ähnlich auseinander wie unsere Gesellschaft (Arm und Reich, Jung und Alt…).

Der Zerfall unserer Gesellschaft als Folge unserer Informationshetze.

Unsere einstmalige Jagd nach Informationen wird so zur Hetzjagd um dann die Rollen zu tauschen, was uns zum Gejagten macht – atemlos und von Angst gezeichnet. Eine Folge ist, dass wir schlicht kein Interesse mehr an Kultur, Medien und Politik haben. Die Basis unserer Gesellschaft fehlt dann zunehmend das Fundament. Unsere Gesellschaft erodiert von innen heraus.

Diesen Prozess der Verfalls lässt sich auch anhand des Kampfs nach unserer Aufmerksamkeit ableiten. Kaum ein Fernsehformat ist extrem genug, um nicht gesendet zu werden, kaum ein Fetisch bleibt im verborgenen dank permanenter digitaler Verfügbarkeit. Die Werte, die eine Gesellschaft trägt, müssen so unweigerlich aufgeweicht werden um letztendlich wertlos zu werden.

Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, der wachsenden Informationsfragmente her zu werden: man schafft sich seine eigenen Verbindungen. Fehlen Teile, so füllt eine Theorie diese Lücke. Findet eine Theorie ausreichend Anhängerschaft, so kann diese auch zur Verschwörungstheorie aufsteigen. Ihr Aufstieg geht dann so lange, bis sich diese im Kreise dreht oder aber von der Wirklichkeit eingeholt wird.

Auswege aus dem Informationsstrudel.

Es bleibt die Frage nach dem Ausweg aus dem ganzen Teufelskreis. Eine pauschale Lösung scheint jedoch nicht in Sicht. Ein guter Ansatz erscheint mir, sich selbst in Achtsamkeit zu üben. Damit wird die Gefahr eines Zuviel geringer. Die Beschäftigung mit sich selbst führt dann unweigerlich zu Fragen wie „was will ich?“ und weiterführend „was will ich wirklich?“. Kann ich diese Fragen beantworten, so stellt sich die Frage nach dem „was brauche ich?“ um mein Ziel zu erreichen. Oftmals ist dann ein weniger an Informationen eine kluge Wahl.

Sag mir, was hast Du vor mit Deinem einen, wilden, kostbaren Leben?
(Mary Oliver)

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Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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2 Kommentare zu Wenn Informationszwang zur Hetzjagd wird

  1. Propaganda betrachte ich grundsätzlich nicht als Informationen. Wenn man die die Ideologien kennt auf dessen Basis Journalisten, Politiker u.s.w. argumentieren spart man zwischen 80-90% Zeit ein.

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  2. News 26.11. 2014 |

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