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Kurz vor High Noon wird die Uhr angehalten

Schnappfisch-7360Das wir schon längst die sprichwörtlichen fünf Minuten vor Zwölf durchschritten haben und der Showdown um zwölf Uhr mittags nur noch Sekunden vor uns liegt, ist den meisten bekannt. Die EZB hat durch ihre Entscheidung am Donnerstag, 1.140 Milliarden EURO in den nächsten 19 Monaten in das Finanzsystem zu pumpen, die Uhr ein weiteres Mal angehalten. Das deren primäre Motivation nicht die des wirtschaftlichen Aufschwungs in Europa ist, fällt in der Berichterstattung unter den Tisch.

In Griechenland steht an diesem Wochenende eine Grundsatzentscheidung an. Es geht darum, ob es einem EU-Mitgliedsstaat möglich ist, den Staatenverbund auch wieder zu verlassen. Im Kern geht es also um die Souveränität der einzelnen Staaten – um Freiheit.

Jetzt ist es ja nicht so, dass Griechenland in Geld schwimmen würde. Da kommen die angebotenen EZB-Drogen gerade recht, wenn auch mit gewissen Auflagen verbunden. Es bleibt also abzuwarten, in wie weit Griechenland diese Offerte annimmt und die Entscheidung für-oder-gegen den EURO um eineinhalb Jahre vertagt.

Die von der EZB angebotene Summe hat auf jeden Fall das nötige Gewicht, bisherige Lippenbekenntnisse nochmals zu überdenken – entspricht dieser „Goldene Schuss“ doch etwa der Hälfte der Deutschen Staatsverschuldung. Wenn Deutschland als letzter Zahlmeister dann noch verbleiben sollte, erhöhen wir damit unsere Staatsschulden von gut 2 Billionen EURO auf 3 Billionen.

Ein häufiges Argument der EZB war und ist es, mit ihrem Quantitative Easing (QE) – der Ausweitung der Geldmenge – der Politik Zeit zum Handeln zu verschaffen. Blickt man auf die Zeit nach 2008 zurück, ab dessen Zeitpunkt klar war, dass Handeln dringend angesagt ist, so findet sich nichts der geldmarktsteuernden Elemente wieder. Weder gibt es eine (ausreichende) Finanztransaktionssteuer, die den Hochfrequenzhandel stoppen würde, noch ist es gelungen die Steuervermeidungsstrategien der Konzerne im Ansatz einzudämmen.

Die Politik jedoch als untätig dar zu stellen, verkennt die Lage. Schauen wir uns einige grundsätzliche Gesetze bzw. Gesetzesvorhaben an, so ist unsere Politik durchaus tätig, jedoch nicht in die Richtung, die sie gerne öffentlich verkünden. Als Beispiele mögen die Freihandelsabkommen (TTIP, TiSA, CETA) genannt werden, aber auch solche Gesetze, wie sie jüngst als „Gesetz gegen die Verharmlosung von Terrorismus“ in Frankreich erlassen wurden, tragen bereits erste Früchte, wie hier zu lesen ist. Deutschland muss sich dabei nicht lumpen lassen, wie geschickt zukünftig Banken und Konzerne gerettet werden, kann z.B. hier nachgelesen werden oder unter dem Stichwort „BRRD-Umsetzungsgesetz“ selbst gefunden werden.

Da wir das alles mit dem Argument, dass man eh nichts dagegen machen kann, wegschieben können, sei mir noch eine kleine Schlussbemerkung erlaubt.

In Deutschland gibt es ca. 90 Millionen Kapitallebensversicherungen, sowie ca. 16 Millionen Riesterverträge. Man kann zu Recht sagen, dass sich der und die Deutsche um sein wohlverdienten Ruhestand bemüht und auch privat vorsorgt. Nimmt man jedoch das zuvor gesagte in die Berechnung hinein, so reicht eine Rente von ca. 2.000 EUR nach Abzug der Steuern in 20 Jahren voraussichtlich noch zum Begleichen der Stromrechnung. Gut, wer jetzt schon auf mehr als 10.000 EUR Rente/Monat hoffen kann, denn für den ist in 20 Jahren auch noch ein jährlicher Urlaub im Budget – alle anderen müssen sich vermutlich in den langen Schlangen anstellen, welche Lebensmittelmarken zu dem machen, was für das Leben so zentral ist.

Es ist zu spät, Brunnen zu graben, wenn der Durst brennt.
(Titus Maccius Plautus, um 250-184, röm. Komödiendichter)

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Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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10 Kommentare zu Kurz vor High Noon wird die Uhr angehalten

  1. die finanztransaktionssteuer ist vollkommen sinnlos, denn der hochfrequenzhandel schadet niemanden. es ist völliug gleichgültig, ob einige aktien für 10 min um 20% abstürzen oder nicht, die schäden bleiben bei den hf-händlern.
    die steuerpraktiken der konzerne abzustellen dürfte die wirtschaft auch nicht brummen lassen. denn unternehmen zahlen niemals steuern, sie schlagen sie auf den preis ihrer produkte auf. sinnvoller wäre es, unternehmen nicht zu besteuern und stattdessen die besitzer, die man leichter kontrollieren kann höher zu besteuern. aber am besten wäre natürlich der abbau des aufgeblasenen sozialstaats, der diese steuern dann überflüssig macht.
    die probleme liegen ganz woanders: in der bereitstellung von „unendlich“ geld und der rettung von unternehmen. märkte sind dazu da, um knappe ressourcen zu alloziieren, aber wenn eine zentralbank mit gelddruckmonpol existiert, ist das geld nicht knapp. somit entstehen blasen, extreme ausschläge, verzerrungen etc. die zentralbanken haben den zins erst künstlich gesenkt und dann ausgeschaltet, um ihre politik jahrzehntelang zu betreiben. wenn sie nun die zinsen auf natürliches niveau zurückkehren lassen, brechen alle staaten gleichzeitig zusammen, denn die positiven effekte der geldvermehrung sind längst in inflation verpufft. nicht weiterzudrucken bedeutet weltweiten systemcrash.

    • Ich sehe den Hochfrequenzhandel aus zwei Gründen als kritisch an:
      1. Sämtliche Gewinne müssen irgendwo Verluste gegenüberstehen. Da hier zuerst einmal kein reales Geld fließt (das folgt erst Tage nach dem Handel) ist der Zocke Tür und Tor geöffnet.
      2. Aufgrund der Algorithmen führt der Hochfrequenzhandel (aus Sicht der Menschen) zu irrationalen Entscheidungen, was einen Lawineneffekt gleich kommt. Die globalen Auswirkungen gleichen dann einem Flächenbrand

      Auch zur Steuerpraxis haben wir unterschiedliche Wahrnehmungen, was auch gut so ist. Solange es Steueroasen gibt ist es in der Tat so, dass stets sämtliche Steuern auf den Verbraucher umgeschlagen werden. Letztendlich kommt man nicht an die Gewinne heran. Fehlt jedoch diese „Fluchtmöglichkeit“, so kann man direkt den Gewinn besteuern, der dann zwar auch von den Verbrauchern kommt, dann aber nicht abgeschöpft wird. Leider ist die Handhabe, solange es Steueroasen gibt, sehr eingeschränkt. Das wäre ein entsprechendes „Plus“ einer Neuen-Welt-Ordnung, in der es nur noch einen Staat gibt. Es gibt aber auch eine andere Lösung, die setzt jedoch wieder auf Ethik und Moral, wozu unsere Politiker derzeit keine Lust haben. Lieber setzten diese auf Recht und Ordnung ohne entsprechendes Fundament von Ethik und Moral.

      • 1. jeder handel wäre demnach ein nullsummenspiel, weil der händler gewinn macht. die ansichtsweise ist aber falsch. jemand der aktien zu einem gewissen preis kauft, hat als ziel den besitz der aktie, und wer sie verkauft hat als ziel den besitz von geld. es ist gleichgültig, auf wieviele vermittler, die sich dazwischengeschaltet haben, die differenz aufgeteilt wird, denn käufer und verkäufer waren bereit sie hinzunehmen. jeder erreicht sein ziel, weil niemand zum handel gezwungen wurde.
        2. was interessieren einen durchschnittsanleger die irrationalen entscheidungen von algorithmen? ihre wirkung ist nur von zeitlich sehr begrenzter dauer, die computer spielen sich eher gegenseitig aus. das schmälert aber nur die gewinne in diesem sektor.
        3. die steuern von unternehmern werden immer auf den verbraucher umgeschlagen. wenn alle unternehmen sie weltweit bezahlen, bedeutet das, dass kein unternehmen den preis wegen der konkurrenz senken muss, weil diese derselben belastung unterliegt. was natürlich passieren kann, ist die einschränkung des verbrauchs durch den konsumenten, die die gewinne des unternehmens drückt, aber das liegt sicher nicht im interesse des staates, weil die steuereinnahmen dadurch auch automatisch sinken. außerdem steigt auch die arbeitslosigkeit.
        staatliche interventionen können die gewinne nicht „abschöpfen“ und in die gewünschten hände führen. näheres bei den nationalökonomen nachlesen.

        • Gewiss ist nicht jedes Handeln (aus diesem Betrachtungswinkel) ein Nullsummenspiel. Alleine durch den Produktivitätszuwachs/Innovation lässt sich das „Spiel“ ins Positive verschieben. Global betrachtet bleibt es jedoch beim Nullsummenspiel, denn der Gewinn der Innovation geht zu Lasten der Natur. Auf einen Nenner gebracht könnte man es mit den Worten von Eberhard Knöller wie folgt postulieren:

          Der Mehrwert der Produktion beruht auf der Ausbeutung der Natur, der Mehrwert des Geldes auf der Ausbeutung des Menschen.

          Was bei mir bleibt, ist jedoch der Zweifel, ob die „Themen“ nicht Blendwerk sind, um vor dem eigentlichen Problem abzulenken. Danke für den Denkanstoß!

  2. Ein schöner Vergleich, wobei ich mir noch nicht ganz so sicher bin, ob die Uhr womöglich schon drüber weg war und man sie nicht nur angehalten, sondern gleich mal um einen Tick zurückgesetzt hat.

    Auch denke ich, dass man ganz platt versucht ein wenig amerikanische Verhältnisse nachzuempfinden QEndless, da geht schon noch was.

    Ach übrigens, sollte sich die Dollar / Euro-Parität alsbald so bei 1:1 stabilisieren, kann man sogleich noch über den EuroDollar nachdenken, warum sollte auch nur die europäische Südschiene von den starken Nordländern partizipieren … die USA als legitimer Schutzgeld-Erpresser und NATO-Rudelführer hätte doch ein erheblich legitimeres Anrecht auf diese Knete vielen Assets, oder? Nur den Blickwinkel ja nicht zu eng halten in dieser Sache. Wichtig ist, das Unmögliche auch zu denken …

    • […]nicht ganz so sicher bin, ob die Uhr womöglich schon drüber weg war und man sie nicht nur angehalten, sondern gleich mal um einen Tick zurückgesetzt hat.

      Das wäre dann aber ein Taschenspielertrick – oder die Aussetzung des Kontinuums. Beides wäre Möglich, aber so schlecht wollen wir doch nicht von unserer ReGIERung denken oder?!

  3. Argonautiker // 24. Januar 2015 um 15:00 //

    Ja, gelungener Artikel, und es ist erschreckend wie viele Meldungen dieser Art, wie diese, auf die Sie sich beziehen, derzeit auftauchen. Vor dreißig, vierzig Jahren, gab es natürlich auch schon solche Meldungen. Alle paar Jahre einmal. Mittlerweile gibt sich eine Schreckensmeldung nach der Anderen die Klinke in die Hand, und dabei scheinen sie sich an Schrecklichkeit jeweils überbieten zu wollen.

    Eine kleine Sinnfrage zu Ihrer Aussage bezüglich Griechenland:
    „Es geht darum, ob es einem EU-Mitgliedsstaat möglich ist, den Nationalstaat auch wieder zu verlassen.“

    Entweder verstehe ich da etwas nicht richtig, oder Sie meinen, daß es darum geht, ob es einem EU-Mitgliedsstaat möglich ist, den EU Verband wieder zu verlassen, und wieder zum reinen Nationalstaat zurückzukehren, und nicht darum, ob er den Nationalstaat verlassen kann, denn die EU ist ja eben kein Nationalstaat.

    Schöne Grüße aus Bremen in die südlicheren Gefilde

    • Danke für den Hinweis. Es geht genau um den von Ihnen angesprochenen Zusammenhang. Änderung ist im Text nun eingearbeitet.

  4. die finanztransaktionssteuer ist vollkommen sinnlos, denn der hochfrequenzhandel schadet niemanden. es ist völliug gleichgültig, ob einige aktien für 10 min um 20% abstürzen oder nicht, die schäden bleiben bei den hf-händlern.
    die steuerpraktiken der konzerne abzustellen dürfte die wirtschaft auch nicht brummen lassen. denn unternehmen zahlen niemals steuern, sie schlagen sie auf den preis ihrer produkte auf. sinnvoller wäre es, unternehmen nicht zu besteuern und stattdessen die besitzer, die man leichter kontrollieren kann höher zu besteuern. aber am besten wäre natürlich der abbau des aufgeblasenen sozialstaats, der diese steuern dann überflüssig macht.
    die probleme liegen ganz woanders: in der bereitstellung von “unendlich” geld und der rettung von unternehmen. märkte sind dazu da, um knappe ressourcen zu alloziieren, aber wenn eine zentralbank mit gelddruckmonpol existiert, ist das geld nicht knapp. somit entstehen blasen, extreme ausschläge, verzerrungen etc. die zentralbanken haben den zins erst künstlich gesenkt und dann ausgeschaltet, um ihre politik jahrzehntelang zu betreiben. wenn sie nun die zinsen auf natürliches niveau zurückkehren lassen, brechen alle staaten gleichzeitig zusammen, denn die positiven effekte der geldvermehrung sind längst in inflation verpufft. nicht weiterzudrucken bedeutet weltweiten systemcrash.

    warum sollte eigentlich jemand diesen kommentar zensieren? er ist weder beleidigend noch sonst was!

    • warum sollte eigentlich jemand diesen kommentar zensieren? er ist weder beleidigend noch sonst was!

      Nee, das liegt daran, dass ein Erstkommentar immer moderiert wird und ich mich heute ganz klassisch „offline“ fortgebildet habe und erste jetzt wieder zuhause bin 🙂

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  2. News 25.01. 2015 |

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