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Demokratie 2.0 – ein Faktencheck

QueenMerkelDas Wesensmerkmal einer Demokratie, dessen staatstragendes Ziel es ist, Entscheidungen vom Volk heraus zu legitimieren, sind längst Vergangenheit. In der Demokratie 2.0 ist die Rolle des Volks auf ein Kern reduziert, der nur noch den Zweck hat, eine Scheindemokratie aufrecht zu erhalten. Nun jedoch sind wir an dem Punkt angelangt, in dem der Schleier fällt, die Scheinlegitimation bei der turnusmäßigen Wahlveranstaltung schwindet und damit der Schleier der Demokratie 2.0 fällt. Was kommt danach? Etwa die Demokratie 4.0 analog zur Industrie 4.0 in der alles automatisiert ist? Bevor wir in die Zukunft blicken, lohnt es sich, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Wie kam es überhaupt zur Demokratie 2.0?

Nun ist es mit der Vergangenheitsbetrachtung nicht so einfach, wie es klingt. Das, was man selbst erfahren hat, kann durch die individuelle Wahrnehmung verzerrt sein. Das, was man aus den Geschichtsbüchern erfährt, folgt allzu oft den Wünschen der Herrschenden. Heißt es doch zurecht, dass die Siegermächte die Geschichtsbücher schreiben – und unsere Demokratie ist von Kriegen gezeichnet. Beginnen wir also willkürlich bei der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland.

In dessen Grundgesetz können wir in Art. 20 entnehmen, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Dieses Recht wird dem Volke nach dem Wahltag sofort wieder genommen, da durch die Wahl der Volkswille auf unsere Volksvertreter übertragen wird (da ich in einem gesonderten Beitrag auf diesen Umstand detailliert eingegangen bin, möchte ich dies hier nicht vertiefen). Das an sich wäre noch kein Problem, wenn die Volksvertreter sich an den Willen des Volkes halten würden. Die Zentralisierung von Macht auf wenige Personen (ver-)führt jedoch dazu, diese Macht für seine Zwecke zu Instrumentalisieren – aktuelle Beispiele mögen die Steuersparmodelle von Großkonzernen oder die Währungsspiele der Banken sein, dessen Tätigkeiten gegen die Interessen des Volkes gerichtet sind.

Viel spannender ist jedoch der Umstand, wieso wir als Volk diesem Treiben kaum noch etwas Entgegen zu setzen haben. Dieser Prozess hat für mich in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen. Das, was einst den sozialen Zusammenhalt in der Bevölkerung ausmachte, wurde in den letzten 40 Jahren systematisch (auf-)gelöst. Es wurde ein Bild geschaffen, dass zukünftig zum Ideal wurde: „Jeder ist seines (eigenen) Glückes Schmied.“ Damit dieses Ideal in der Bevölkerung Fuß fassen kann, wurde der Familienbund systematisch zurück gedrängt bzw. ganz zerstört. Schaut man sich heute die Anzahl der Singlehaushalte an, so stellt man fest, dass ca. 40% der Haushalte diesem „Lebensmodell“ entsprechen – Tendenz steigend.

Ein weiteres Merkmal unserer Demokratie 2.0 zeigt sich im Rückzug der Presse, dessen Aufgabe es einst war, das Volk mit neutralen Nachrichten zu versorgen, damit dieses sich seine eigene Meinung bilden kann. Diese Meinungsbildung ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich das Volk aktiv in den demokratischen Prozess mit einbringt. Die aktuelle Nachrichtenversorgung lässt diese Neutralität sträflich vermissen. Statt dessen Missbraucht die Mainstreampresse ihre demokratische Aufgabe als vierte Gewalt im Staate, um selbst Meinungspolitik zu betreiben. Hier scheint es so, als ob es auch hier eine Verbindung zwischen Politik und Presse gibt, welche den demokratischen Prinzip zuwider läuft.

Das Verhängnisvolle an den beiden Tendenzen – Individualisierung und Konzentration der Macht – ist, dass die Mündigkeit des Bürgers und auch der Bürgerin, schleichend zurück geht. Als Katalysator lassen sich zwei Merkmale ausmachen.

Zum ersten wäre dies die mediale Aufbereitung. Die Sendungsformate sind vielfältig, das Ziel jedoch immer das Gleiche: zum einen wird deutlich gemacht, dass nur der Einzelne gewinnen kann, wenn er sich selbst aufgibt und dem einzigen Ziel des Erfolgs (der sofort mit Geld gleichgesetzt wird) verschreibt – egal ob das nächste Top-Modell gekürt wird oder der nächste Millionär. Dies würde jedoch nicht ausreichen, genügend Menschen vor den Fernseher zu bringen, die letztendlich für den Geldtraum bezahlen. Es braucht auch noch eine Bloßstellung derjenigen, die es nicht bis zum Siegertreppchen schaffen. Die Menschen, die auf der Strecke bleiben – und das dürfte der weitaus größere Anteil sein – sind der Treibstoff für diese Fernsehformate. Der Zuschauer füllt dieses Vakuum auf: er taumelt zwischen der Anspannung des Siegers und der (Schaden-)Freude des Scheiterns. Besonders abgebrühte Zuschauer empfinden dann Neid, Häme, Gier und ähnliches. Was aber auf der Strecke bleibt ist die Empathiebereitschaft für die Aufgaben, die im wirklichen Leben vor uns liegen.

Das zweite Merkmal finden wir in unserem Arbeitsalltag. Längst nutzen wir zu viel Zeit, um das in ausreichender Menge zu beschaffen, was vermeidlich in unserer Gesellschaft für Wohlstand steht: Geld. Längst schon dürfen die Frauen ihren Beitrag dazu leisten, damit die Familien-Lohntüte ausreichend gefüllt wird – hingerissen zwischen Beruf und Familie in der nur die Firmen-PR eine vereinbarende Verbindung sieht. Dabei hat diese Lohntüte schon längst Löcher! Wir müssen somit immer mehr Zeit investieren, damit am Monatsende ausreichend viel von dem flüssigen Geld vorhanden ist, um unseren Wohlstand aufrecht zu erhalten. Diese Zeit fehlt uns dann an allen Ecken und Enden. Es fehlt die Zeit, eine stabile Beziehung aufrecht zu erhalten. Es fehlt die Zeit, mit unseren Kindern (sofern wir überhaupt noch welche haben) gemeinsame Erlebnisse zu machen. Es fehlt die Zeit, uns mit den politischen Themen auseinander zu setzen und es fehlt die Zeit sich mit uns selbst auseinander zu setzen.

Gerade letzteres ist aber notwendig. So dürfte es für viele überraschend kommen, wenn mitten im Berufsleben die Midlife-Crisis zuschlägt. Das diese Flucht in die Arbeit auch psychosomatische Probleme aufwirft, zeigt die steigende Anzahl des Ausgebranntseins (sog. Burnout-Syndrom). Ein „Gutes“ hat dieser Mechanismus: unser Körper lässt uns nicht so einfach verführen, wie unser Verstand. Wo der Verstand den Konsumrausch gerne per Kredit am Leben erhält, buckelt der Körper später um so mehr, um nur für die Zinsen gerade zu stehen. Je früher der Körper durch Schmerz uns zurück auf den Boden holt, desto überschaubarer die Folgen… wenn man denn auf seinen Körper hört!

Diese Effekte zur Entkopplung der realen Welt werden zudem noch (gezielt) durch Ängste verstärkt. Die Angst vor dem Alleinsein war bereits Thema in einem anderen Beitrag. Auch die Angst vor Arbeitslosigkeit, Bankencrash, Krieg etc. sind in unzähligen Beiträgen beleuchtet. Auch wie die Angst unsere Gesellschaft lähmt, war bereits ein eigener Beitrag wert. Das Wesensmerkmal der Angst ist immer der Verlust an Orientierung und an Handlungsoptionen. Wenn uns dann noch die Volksvertreter eine Lösung präsentieren und diese als alternativlos – wie Frau Merkel es gerne tut – verkauft, dann ist nur wenig Widerstand zu erwarten. Der Preis jedoch, den wir dann für die vermeidlich alternativlose Lösung bezahlen, ist für den Einzelnen jedoch weitaus höher, als nötig.

Was aber nun tun?

Für viele ist dieser schleichende Prozess nachvollziehbar. Es stellt sich jedoch die Frage, wie man aus diesem Teufelskreis herauskommt, ohne das es zu Aufständen oder gar Krieg kommt. Viele Versuche, ausreichend viele Menschen aus der Ohnmacht herauszureißen, waren bisher fruchtlos. Zu sehr sind die Menschen gewollt, lange genug zu warten, um nicht in der ersten Reihe zu stehen – haben doch die unzähligen TV-Formate gezeigt, was mit den Menschen in der ersten Reihe geschieht. Es fehlt an guten Beispielen: dabei sind diese vorhanden, werden jedoch nicht medial verbreitet. Gibt man z.B. in einer Suchmaschine „15 millionen russland demonstration frieden“ ein, so erfährt man, dass am 9. Mai 2015 zur traditionellen russischen Erinnerungsparade an den 2. WK, 15 Millionen Menschen in vielen russischen Städten sich spontan zu einer Friedensdemonstration zusammen gefunden haben. Leider findet man solche Meldungen in unseren Leitmedien – aus besagtem Grunde – nicht, das bedeutet jedoch nicht, dass die Information nicht die Menschen erreicht! Einmal mehr sorgt eine Vielzahl von Menschen für die Verbreitung über das Internet…

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.

Dieses Zitat wird dem dänischen Quantenphysiker Niels Bohr zugeschrieben. Was in der Quantenphysik bereits als die „unvermeidliche Beeinflussung durch die Beobachtung“ beschrieben wird, gilt auch für andere Bereiche. Auch in der Politik beeinflussen wir diese alleine durch die Beobachtung, dazu ist es aber wichtig, uns nicht durch die Schattenspiele – welche uns so oft die Medien vorführen – beeinflussen zu lassen, sondern uns direkt mit dem Schauspiel auseinander zu setzen.

Ich möchte zum Abschluss von diesem Beitrag eine Prognose in die Zukunft wagen. Mögen wir derzeit auch noch weit entfernt von dem mündigen Bürger sein, der durch Vernunft und Verstand in der Lage ist, die Geschicke einer ganzen Gesellschaft zu lenken (dies ist im Groben auch die Erklärung unserer Politiker, dass Volksentscheide auf Bundesebene nicht stattfinden.), so bin ich überzeugt davon, dass die kritische Masse bereits nach einer Legislaturperiode bereit stünde. Ich bin überzeugt davon, dass wir nach vier Jahren ausreichend mündige Bürger hätten, wenn wir in den vier Jahren ausreichend Zeit hätten, zu uns selbst zu finden und dabei mit Informationen versorgt werden, die uns nicht entmündigen, sondern an dem Entscheidungsprozess teilhaben lassen, so dass wir lernen können, wieder selbst zu denken. Ich bin mir sicher, dass diesem Denken dann auch ein Handeln folgen wird, das nicht durch Egoismus geleitet wird, sondern durch die vielfältigen Beziehungen für eine gemeinsame Zukunft – denn Zukunft kann nur gemeinsam gestaltet werden. Das geht dieser Tage zu oft in der medialen Konsum-Welt unter.

Um ins Handeln zu kommen, brauchen wir Räume der Begegnung. Plätze, in denen unterschiedliche Talente zusammen kommen, um gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Das Internet-Cafe in dem jeder für sich abgeschottet auf einen Bildschirm starrt, sind nicht die Räume. Auch in sozialen Netzwerken findet nicht das gemeinsame Tun statt. Dazu braucht es reale Räume in der Nachbarschaft – die Debattierclubs 2.0 könnten einen Weg bereiten – wohin? Das wird die Zukunft zeigen…

Gestern war ich klug, also wollte ich die Welt verändern.
Heute bin ich weise, daher ändere ich mich selbst.
(Rumi)

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Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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