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Verbrecherschutzgesetz im Fahrwasser der Krise verabschiedet

Schnappfisch-7360Es ist schon länger bekannt, dass im Fahrwasser von Großereignissen – seien es nun Fußball-WM-Spiele oder Flüchtlingsfluten – gerne im Schnelldurchgang Gesetze verabschiedet werden. Mit dem Gesetzentwurf zur „Datenhehlerei“ wurde ein solches Minenfeld letzte Woche verabschiedet.

Heute las ich in der aktuellen c’t Nr. 23 einen Beitrag zu diesem Gesetzentwurf:

Justizminister Heiko Maas legt ein Gesetz vor, das unvorhersehbare Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hat, in denen abhanden gekommene Daten eine Rolle spielen – insbesondere auf den investigativen Journalismus.

Der Beitrag klärt auch gleich in einem Beispiel, was nach diesem Gesetzentwurf nicht mehr straffrei sein wird. Erfährt z.B. jemand von einer rechtswidrigen Tat eines Ministerialbeamten und übergibt ein PDF-Dokument, welches die rechtswidrige Tat dokumentiert, an einen Journalisten, so kann dieser Redakteur nach dem Gesetzentwurf belangt werden. Das Strafmaß geht von Geldstrafen aus und bis zu dreijährigen Freiheitsstrafen.

Im Vorfeld gab es zu diesem Gesetzentwurf noch zwei Einschränkungen. Finanzbeamte, welche sich illegal sogenannte „Steuer-CDs“ beschaffen, gehen straffrei aus und eine halbherzige Ausnahme für Journalisten wurde eingefügt. Journalisten sind dann nicht betroffen, wenn sie „berufsmäßig“ handeln und keinerlei privates Interesse haben. Sie müssen also ausschließlich aus beruflichen Gründen handeln.

Für investigative Blogger brechen harte Zeiten an, denn der c’t-Beitrag erschien am 17.10.15. Das Gesetzt jedoch wurde als U-Boot in das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung mit eingewoben und am 16.10.15 im Schnelldurchgang beschlossen.

Seit letzter Woche gibt es somit im Strafgesetzbuch (StGB) den §202 d mit folgendem Wortlaut:

§ 202d – Datenhehlerei
(1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere
1. solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen, sowie
2. solche beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden.“
3. § 205 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 Satz 2 wird die Angabe „und 202b“ durch ein Komma und die Angabe „202b und 202d“ ersetzt.
b) In Absatz 2 Satz 1 wird die Angabe „§§ 202a und 202b“ durch die Angabe „§§ 202a, 202b und 202d“ ersetzt.
Wer den ganzen Text lesen möchte, um zu sehen, wie geschickt dieser Paragraph in ein völlig anderes Gesetzesvorhaben (Vorratsdatenspeicherung) eingewoben worden ist, findet das Dokument hier.
Es muss nicht erwähnt werden, dass von 559 abgegebenen Stimmen 404 (Seite nicht gefunden) mit ja stimmten, 148 mit nein bei 7 Enthaltungen. Wer sich einen detaillierten, namentlichen Überblick der Abstimmung verschaffen will, kann dies in dem Plenarprotokoll 18/131 ab Seite 24 tun.
Es ist anzunehmen, dass die bereits stark beschädigte Demokratie, nun vollends, mit voller Kraft auf den den Eisberg gefahren wird. Auf dieser Fahrt, so könnte man vermuten, soll die Stimmung aber heiter bleiben – das Volk nicht unnötig in Besorgnis geraten. Der §202d wird hierzu seinen Beitrag leisten!
Hoffnung ist der Nektar der Hoffnungslosen!
Aktualisierung:
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde am 18.12.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und hat seit dem Gesetzeskraft. Für die Speicherung der Verbindungsdaten lässt der Gesetzgeber den Providern eine Übergangsfrist von 18 Monaten. Ab Juli 2017 müssen alle Zugangsanbieter die Verbindungsdaten ihrer Kunden für 10 Wochen, die Standortdaten für einen Monat speichern.
Über Ro!and (409 Artikel)
Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
Kontakt: Webseite

9 Kommentare zu Verbrecherschutzgesetz im Fahrwasser der Krise verabschiedet

  1. Zeitzeuge_ww3 // 23. Oktober 2015 um 11:40 //

    Hoffnung ist Feigheit!

    Ich kann auf schönes Wetter hoffen, ob der Regen dadurch verschwindet, ändere ich damit nicht. Wer hofft, gibt es auf, aktiv für seine Wünsche zu kämpfen. Dementsprechend ist Hoffnung nix weiter als feiges Erdulden.

    Edges – tp-Forent

    • Hoffnung ist Feigheit!

      Ja da ist etwas dran. Leider sind die meisten Menschen bereits so dick eingelullt, dass die Hoffnung „irgendwer wird’s schon richten…“ alle Feigheit vernebelt.

  2. Little Louis // 26. Oktober 2015 um 0:02 //

    Gut aufgepasst. Danke.

  3. Little Louis // 26. Oktober 2015 um 14:52 //

    Zu: dankekultur

    „… Wenn ich jemanden gegenüber stehe, der Menschen manipuliert, der Menschen verachtet, so bin ich in der Pflicht dies anzusprechen, damit dieser Mensch irgendwann auch einmal die Gelegenheit hat, ein (mein) Danke zu bekommen….“

    Des versteh ich jetzt garnet. Dankst du auch den obigen Gesetzgebern?

    • Lang ist’s her mit den Zeilen…

      Das Danke gilt nicht den „obigen Gesetzgebern“, sondern soll diese eher in die Lage versetzten, dass man ihnen auch dankt. Auf dem Kurs, auf dem sich diese derzeit befinden, sind die Chancen jedoch eher gering und so werden diese eher die Aufsichtsratspöstchen mit den entsprechenden Zulagen nehmen, als ein wertschätzendes Danke.

  4. Little Louis // 27. Oktober 2015 um 10:43 //

    Ein Problem liegt auch an der Userabhängigen Gestaltung der Netzangebote. Das betrifft nicht nur den kommerziellen Bereich. Bei meiner „Heimatzeitung“ lassen sich für offenbar „kritisch“ erachtete Onlinestellungen von Artikeln nicht abrufen, wenn ich diese ein bisschen „getarnt“ ansteuere.

    • Es ist schon seit längerer Zeit ein großes Thema, die Benutzerströme zu lenken. Nicht erst durch RF-ID-Chips waren die technischen Möglichkeiten gegeben, jetzt durch die Smartphones um so mehr. Der Zweck ist immer der Gleiche: aus Sicht des Anbieters die höchste Rendite zu erzielen. Dieser „Druck“ ist auch längst beim Informationskonsum angelangt.
      Die wenigen „Tarnungsmöglichkeiten“ kann man schnell auf ein paar wenige IP-Adressen reduzieren, da zu wenige Menschen bereit sind, ihre IP-Adresse anderen zu überlassen. Unsere Gesetzgebung sorgt auch durch die Mit-Störerhaftung, dass es so bleiben wird.
      Vielleicht schreibe ich mal einen eigenen Beitrag dazu – wobei ich nicht annehme, dass es irgendjemanden besonders jucken wird, wenn er wüsste, was im Hintergrund bereits an Daten gesammelt wird um ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Die jetzt eingeführte Cookie-Hinweise sind da schon ein Aberwitz…

  5. Little Louis // 27. Oktober 2015 um 11:12 //

    Ich kenn das von Teilen meines eigenen „Nachwuchses“ ( Ü- 30 und sogar „in der Branche“ tätig.) Hab mich manchmal über Naivitäten gewundert. Aber vielleicht lernt man dazu.

    • Das mit dem Lernen ist so eine Sache. Ich habe mich selbst mehrere Jahre damit – auch in der Forschung – beschäftigt. Wie Kontextwissen und Lernen zusammenkommen, habe ich mir mal 2009 näher angesehen: hier zum Nachlesen…

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