Steuern Steuern den Menschen?
Seitdem es das Staatswesen gibt, gibt es Steuern. Sicherten diese Anfangs noch den sicheren Machterhalt, etwa durch den bis in die frühe Neuzeit üblichen Zehnt, so wurde daraus mehr und mehr ein Steuerungsinstrument. Um nur einen ersten Überblick über die in Deutschland geltenden Steuern zu geben, hat das Bundesministerium für Finanzen 2013 eine 176-seitige Broschüre herausgegeben. Warum der moderne Staat Steuern erhebt, erfährt man gleich auf Seite 1 (Hervorhebungen durch mich):
In einem Gemeinwesen gibt es viele Aufgaben, die ein Einzelner nicht lösen kann: Bildung und öffentliche Infrastruktur, Gesundheitswesen und soziale Absicherung, innere und äußere Sicherheit gehören beispielsweise dazu. Hier wird der Staat für uns alle tätig. Seine Leistungen finanziert er mit den Steuereinnahmen. Sie sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Ohne diese Gelder könnte er seinen gestalterischen Aufgaben nicht nachkommen.
Um seine, dem Allgemeinwohl dienenden, gestalterischen Aufgaben nachkommen zu können, erhebt der Staat Steuern. Damit die Steuereinnahmen gerecht sind, gibt es unzählige davon. So könnte man die Vielfalt der Steuereinnahmen begründen.
Erinnert man sich, was jedoch nur den älteren Jahrgängen gelingen wird, an den Grund der Schaumweinsteuer, so ist der grundsätzliche Bezug für diese 1902 eingeführte Steuer, nämlich die kaiserliche Kriegsmarine, längst verschwunden. Geblieben jedoch ist die Steuer. Würde man dies im Schulunterricht behandeln, hätte die Schaumweinsteuer zumindest noch das AnDENKEN an die Kaiserzeit bewahrt, so aber füllt sie nur einen Topf, der stetig anwächst, da kaum eine Steuer jemals wieder aufgehoben wurde – z.B. die (zeitlich begrenzte) Solidaritätssteuer, gern als „Zuschlag“ bezeichnet, da diese ja auf bereits vorhandene Steuern zugeschlagen wird. Längst dient der Solidaritätszuschlag dem stillen Länderfinanzausgleich – eine weitere Steuer, nur auf Länderebene… zahlbar durch die Menschen eben dieser Bundesländer.
Das Sahnehäubchen bei den Steuerabgaben ist jedoch das sogenannte Gesamtdeckungsprinzip. Vereinfacht gesagt, sorgt dieses Prinzip dafür, dass sämtliche Einnahmen nicht zweckgebunden sind. Alle Einnahmen dürfen also in einen großen Topf geworfen werden und aus diesem werden dann alle Ausgaben so lange bedient, bis der Topf leer ist. Ist dieser Fall dann vor Ablauf des Wirtschaftsjahrs eingetroffen, so kommt es zur entsprechenden Neu-Verschuldung. Diese Schulden belaufen sich beim Bund derzeit auf etwa 2.146 Milliarden EURO – mehr als das 3,5-fache der Jahreseinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen! Um diese Verschuldung abzubauen, müsste eine gesamte Bundes-Legislaturperiode Bund, Länder und Gemeinden keinen einzigen Cent ausgeben bei vollen Einnahmen! Nach bereits einer Woche würde sich das Chaos in Deutschland ein Stelldichein geben – was wird dann aber aus den verbleibenden 207 Wochen um das Ziel zu erreichen?
Es bleibt die Eingangsfrage, ob Steuern den Menschen steuern?
Die Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler haben sicher ausreichend viele Studien, um dies zu bejahen. Zu ihrem Leidwesen handelt es sich bei diesen Fächern aber nicht um strenge wissenschaftliche Disziplinen, auch wenn sich darin die eine oder andere mathematische Formel befindet. Geht es um Wirtschaft sind wir schnell im Bereich des Glaubens, statt des Wissens. Damit dies nicht so schamlos daherkommt – man will sich ja wissenschaftlich und aufgeklärt zeigen – umhüllt man den Glauben mit Prognosemodellen. Wahrscheinlichkeiten begleiten daher jegliche Vorhersage aus diesem Bereich.
Die Politik wiederum ist froh, zumindest ein Modell zu haben, um ihre Entscheidungen – und damit die Wichtigkeit ihres Tuns – begründen zu können. So entsteht eine Seilschaft auf dem vermeidlichen Weg nach oben. Es wundert daher kaum, dass die Krise aus 2008 politisch folgenlos blieb. Weder gibt es Steuern auf die Finanz-Transaktionen, die den Crash erst zur Krise machten, noch Regulierungen der Finanzindustrie. Noch viel unverständlicher ist eine, durch Hans Eichels Staatssekretär Heribert Zitzelsberger geschaffene Unternehmenssteuer-Reform. Seit 2001 sprudeln großen Kapitalgesellschaften Milliarden in die Kassen. 2002 bereits erkannte die Politik den „Reform-„Fehler, geändert hat sich seitdem nichts.
Auf ganz anderer Seite jedoch habe die letzten acht Jahre gewaltige Spuren hinterlassen. Es sind die Regulierungen beim einzelnen Steuerzahler, der seit 2016 durch entsprechende Bail-in-Gesetze bei der Bankenhaftung mitwirken darf muss!
So (ver-)kommt es leider, wenn der Klügere stets der Wirtschaft und Politik nachgibt. Es ist der Nährboden für die Herrschaft der Dummen, die den Staat nach ihrem Ebenbild formen… in dem wir gemeinsam leben.
Den Glauben, dass Steuern in ihrer derzeitigen Form und Vielfalt die Menschen steuern, sollten wir ein für allemal ablegen. Es ist eher der (blinde) Versuch möglichst trickreich weitere Einnahmequellen zu generieren, wo der Schmerz am geringsten ist. Dort wo der Aufschrei nur ein stummes Grummeln ist. Aber zu welchem Preis?
Das Steuersystem kommt unweigerlich auch an seine (Komplexitäts-)Grenzen. Dies freilich stört die Wirtschaftswissenschaft wenig. Sie findet in ihrem Denk-Modell schnell neue Wege. So darf sich die Bargeldabschaffung bereit machen, die Steuereinnahmen weiter in schwindelerregende Höhen zu bringen. Solange die Klügeren weiterhin nachgeben, dürfte auch dieses Kunststück gelingen, ob nun in dem Mantel der Terrorbekämpfung gehüllt oder sogar unverhüllt. Das spielt später keine Rolle mehr.
So steuern die Steuern letztendlich doch den Menschen. Wenn auch nicht zu dem im Finanzministerium so schön formulierten Ziel: dem Allgemeinwohl dienenden, gestalterischen Aufgaben.
Der Klügere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
(Marie von Ebner-Eschenbach)