Wenn alte Herren kampflüstern werden
Vor drei Wochen sorgte eine kurze dpa-Pressemitteilung für Verwunderung: der dm-Gründer Götz Werner klagt gegen den Alnatura-Gründer Götz Rehn. Bei dem „Zoff zwischen Drogeriekette und Biomarkt“ erfahren wir auch, dass es um die Markenrechte an Alnatura geht, also um das zentrale Element von Alnatura. Die Begründung von Götz Werner liest sich dann auch entsprechend: Alnatura sei erst durch dm so erfolgreich geworden, darum stünden dm die Markenrechte zu.
Die Richter des Landgerichts Frankfurt wiesen die Klage des dm-Gründers ab. Unmittelbar nach der Entscheidung hat Herr Werner beim Oberlandesgericht Frankfurt Berufung eingelegt. Da die beiden Manager bereits über 30 Jahre geschäftlich und privat verbunden sind (Rehn ist Werners Schwager), dürfte dieses Schauspiel noch weitere Gerichte beschäftigen.
Aus geschäftlicher Sicht zerbrach die Partnerschaft letztes Jahr, als dm die Alnatura-Bioprodukte sukzessive durch Eigenmarken ersetzte. Werner, wie auch Rehn, waren zu diesem Zeitpunkt schon länger aus der Geschäftsführung der beiden Unternehmen ausgeschieden. Die Auswahl an Alnatura-Produkten in dm-Filialen war auf ca. 200 ausgewählte Produkte beschränkt (Müslis, Getreide, Müsliriegel etc.), für viele der Alnatura-Produkte fehlte es dm schlicht an der entsprechenden Verkaufslizenz und der nötigen Kühlregale.
Dass nicht wenige Alnatura-Kunden die Nähe der dm-Filialen nutzten, um dort die Produkte zu kaufen und in diesem Zuge auch die dm-Produkte mitzunehmen, die sie ansonsten bei anderen Drogeriemärkten erstanden hätten, zeigt die andere Seite der Medaille.
Dass die durch dm-Eigenmarken ersetzten Alnatura-Produkte von der Aufmachung, dem Preis und der Präsentation denen der bisherigen Alnatura-Produkte gleichen, ist wohl der höheren Verkaufsmarge geschuldet. Wenn man sich dann noch an die letztes Jahr erfolgten Werbeversuche von dm erinnert, die satte Nachlässe auf dm-Eigen-Biomarken versprachen, reichte die bloße Produktkopie offensichtlich nicht aus. Da die Alnatura-Produkte aber schrittweise aus dem dm-Sortiment verschwinden, braucht es jetzt diese Art der Werbung nicht mehr.
Alnatura hingegen war nicht erfolglos bei der Suche nach neuen Vertriebspartnern und konnte den größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka für seine Produkte gewinnen. Bei dm scheint diese Option für Verstimmung zu sorgen, band man Alnatura vertraglich doch so eng an sich, dass bislang weitere Vertriebskanäle verschlossen blieben.
Dass sich jetzt Götz Werner, der schon seit Jahren im Aufsichtsrat von dm sitzt und das operative Geschäft seit 2008 Erich Harsch überlassen hat, per Gericht über die Markenrechte von Alnatura bekämpft, mutet für einen bekennenden Anthroposophen seltsam an. Vor allem aber wundert die Begründung, denn ohne fremde Hilfe wäre selbst dm heute nicht an dieser Position im Markt.
Bereits nach der Gründung von dm 1973 wurden in den darauffolgenden Jahren weitere Filialen eröffnet. Alle Filialen gleichen sich zu dieser Zeit hinsichtlich Sortiment, Preisen und zentralistischer Organisationsform. Es dauerte nicht lange, und diese Organisationsform führte bei dm zur Krise. Entscheidend für den Wandel waren externe Berater, die dm ein Konzept näherbrachten, das heute ein wesentliches Element des Erfolges ausmacht. So wurde die zentralistische Leitung der Filialen durch selbstbestimmt Filialen ersetzt, die zum Teil das Sortiment und die Preise in Eigenregie festlegen konnten. Ein passendes Controlling machten es möglich, die Zügel bei den Filialen lockerer zu lassen. Als dann in den 90er Jahren am Friedrich von Hardenberg Institut für Kulturwissenschaften in Heidelberg das Konzept der „dialogischen Führung“ entwickelt wurde, fand dm das passende Führungsinstrument für den weiteren Unternehmenserfolg.
Ohne diese beiden externen Einflussquellen wäre dm wohl längst von dem damaligen Marktführer Schlecker, aus dem Rennen gedrängt worden. Setzt man also die gleiche Prozesslogik von Götz Werner auch bei dm an, so dürften sich die externen Berater alsbald über die von dm gehaltenen Markenrechte freuen.
Die wahren Gründe des Rechtsstreits scheinen daher eher privater Natur zu sein. Dass sich dm als Unternehmen dafür vor den Karren spannen lässt, zeigt, wie groß weiterhin der Einfluss von Götz Werner in das operative Geschäft des Unternehmens ist.
Statt die Angelegenheit im Privaten, mit einem neutralen Dritten zu klären, wird das Lebenswerk zum Kriegsschauplatz alter Herren, in diesem Fall zum Götzen-Krieg. Das Vorgehen zeigt einmal mehr, dass die nach außen propagierte Haltung nicht immer der inneren entsprechen muss. Dass Weisheit nicht mit Alter gleichzusetzen ist und sich der Edle erst dann als edel erweist, wenn er die ihm verliehene Macht nicht missbraucht – auch wenn dies als der vermeintlich leichtere Weg erscheint.
Inwieweit das von Götz Werner hochgehaltene „bedingungslose Grundeinkommen“ auf tragfähigen Beinen steht, wird sich noch zeigen müssen. Solange aber der Sockel nicht auf bedingungsloser Liebe gegründet ist, steht jedes „bedingungslose“ Gebäude auf einem wackligen Fundament.
Erst in der Gemeinschaft kommt der Mensch zum SEIN
… er kann es aber auch sein lassen.
Herr Götz Werner hat wohl Probleme mit der Wertschätzung seiner angebotenenen Fremdwaren.
„Alnatura sei erst durch dm so erfolgreich geworden, darum stünden dm die Markenrechte zu.“
Also ICH bin in erster Linie wegen der Alnaturaprodukte ins dm gegangen, denn Drogeriemärkte gibts an jeder Ecke.
Da sind Sie kein Einzelfall.
Es wird spannend bleiben, wie das OLG die Lage einschätzt – wobei dort der Streit noch nicht zu Ende sein wird…
das system zwingt sogar seine profitöre zur selbstzerfleischung
Bei den Reißwölfen des Systems war das ja schon seit längerem zu beobachten, aber jetzt auch bei den Wölfen im Schafpelz. Die Zeiten werden rauer…