Zukunft ohne Vergangenheit
Nahezu unser gesamtes Wissen schöpfen wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Dabei lagert sich nicht nur abrufbares Wissen ab, sondern auch tieferliegende Erfahrungen in Form von Konditionierungen. Diese beiden Erfahrungsquellen wirken in unsere Zukunft und beeinflussen diese bewusst und/oder unbewusst.
Die Beeinflussung unserer erlebten Vergangenheit auf die mögliche Zukunft ist oftmals größer als wir gemeinhin wahrnehmen. Vor allem aber negative Erfahrungen sitzen so tief im Unterbewusstsein, dass wir fast schon zur Marionette dieser Konditionierung werden. Dabei ist daran nichts Schlechtes. Man muss sich nur im Klaren sein, dass negative Erfahrungen mit einem Verstärkungsfaktor von ca. 30 an uns haften bleiben. Oftmals sind die negativen Erfahrungen auch ganz praktischer Natur: einmal auf eine heiße Herdplatte gefasst und die Erfahrung ist unauslöschlich verankert. Schon beim nächsten Griff auf eine Herdplatte geht die Hand behutsamer vor und vermeidet so den erneuten Schmerz.
Auch negative Erfahrungen mit anderen Lebewesen prägen sich tief ein. Wer als Kind eine negative Erfahrung mit einem Hund gemacht hat, wird auch als Erwachsener Hunde meiden. Lassen wir dem Mechanismus freien Lauf, so können wir drei Merkmale unterscheiden:
- negative Erfahrungen werden als Bedrohung so verfestigt, damit ein Muster (=Konditionierung) entsteht, um in ähnlichen Situationen eine erneute Erfahrung zu vermeiden.
- Positive Erfahrungen, welche uns ein Gefühl von Sicherheit und Zufriedenheit geben, werden so gefestigt, dass wir ihnen leicht nachgeben, ohne (lang) darüber nachzudenken.
- Neutrale Erfahrungen werden weitgehend ignoriert, da unser ICH mit 1. und 2. ausreichend beschäftigt ist. Wir können uns schlicht nach kurzer Zeit nicht mehr daran erinnern.
Dieser Automatismus schafft eine sehr persönliche Wahrnehmung. Je mehr Erfahrungen wir so verarbeiten, um so mehr sind wir von Konditionierungen aus der Vergangenheit gesteuert. Egal ob durch die positive Verstärkung, die uns die Schokolade bis zum Verzehr des letzten Riegels schmackhaft macht, oder die Flasche Bier, die Lust auf die nächste macht – gleiches wohl auch bei der Zigarette … oder aber die negativen Erfahrungen, die uns bereits beim Anblick eines Hundes zum Wechsel der Straßenseite veranlassen, der LKW – weit vor uns auf der Autobahn – bereits auf die Überholspur wechseln lässt usw.
All diesen Erfahrungen ist gemein, dass sie auf Vergangenem beruhen, das sich fest in unser Unterbewusstsein manifestiert hat und nun seiner Konditionierung folgt. Wir unterscheiden dabei aber nicht nach nützlicher Konditionierung wie z.B. die heiße Herdplatte, oder aber revidierbarer Konditionierung wie die Begegnung mit einem anderen Hund.
Revidieren ist auch erst dann möglich, wenn wir die Konditionierung auflösen. Dazu müssen wir möglichst weit an Keim dieser Konditionierung heran. Schritt für Schritt können wir uns so zu einer neuen Wahrnehmung verhelfen. Je weiter die Konditionierung zurückreicht, desto länger brauchen wir auch diese aufzulösen. Es sind dann die einzelnen kleinen Schritte die plötzlich zum großen Erwachen führen!
Ist man sich dieser Konditionierung bewusst, fällt es zukünftig leichter, sich nicht in neue Konditionierungen verstricken zu lassen. Neue Erfahrungen nach dem alten Schema von gut/schlecht, positiv/negativ zu kategorisieren, kommt so immer weniger zum Tragen. Damit schiebt sich auch unweigerlich zwischen Vergangenem und Zukünftigem das Jetzt – das Gegenwärtige.
Wir beginnen dann nicht in dem Vergangenen zu wühlen und Verhaltensmuster abzuleiten – was wir bisher unterbewusst gemacht haben -, sondern das Gegenwärtige als das zu begreifen was es ist: ein Schatz an Möglichkeiten!
Ob wir den Schatz heben bleibt uns überlassen. Wir können ihn auch getrost liegen lassen, denn die Gegenwart fließt stetig und wir befinden uns mitten in ihrem Fluss. Sobald wir beginnen, mit der Gegenwart zu fließen wird unser Leben gleichförmig, reißt uns unsere Vergangenheit weniger mit. Unser Blick öffnet sich dann für die zuvor vermeidlichen neutralen Erlebnisse, in denen die Chancen – die eigentlichen Schätze – ruhen. Dann ist eine Zukunft ohne Vergangenheit – ganz in der Gegenwart – möglich.
Es liegt an uns, in kleinen Schritten die Konditionierungen aufzuheben, die uns so lange beherrschten. Achtsamkeit ist hierzu der Schlüssel. Sie bringt uns zu einer inneren Mitte der Gelassenheit zurück, die wir so sehnsüchtig suchen. Verzeihen wir uns und den anderen noch für Vergangenes und Zukünftiges, so sind wir auf einem guten Weg, statt stets nach Vergeltung zu verlangen. Auch wenn es nicht auf Anhieb klappt, sollten wir statt Schuld- und Schamgefühl lieber Reue zeigen. Ein „Upps! ‚tschuldigung!“ lässt mehr Raum, um aus der Erfahrung zu lernen, als ewige Schuld und Scham… und es liegen noch viele Erfahrungen vor uns, aus denen wir lernen können – wir müssen uns nur darauf einlassen.
Viele Menschen vermessen andere an deren Lebensjahren und nennen dies Erfahrung.
Nur Wenige ermessen, was ein Mensch erfahren hat und was er sich davon zu eigen machte.
Die Konditionierungen sind letztendlich nichts anderes als angehäufte Muster infolge von erlebten und noch nicht erlebten, doch erwünschten Erfahrungen .
Alle Glaubenssätze sind Muster. Alle Muster sind Konditionierungen. Alle sind Bindungen, die selber zugleich Ursache und Wirkung darstellen, die als Beides Ursache neuer Wirkungen sind.
Doch die erstem grundlegendste Konditionierung ist es, DASS MAN DER KÖRPER ODER DAS DENKEN IST.
Und dann…?
Dann alles, was daraus resultiert: Mann oder Frau, gesund oder krank, Deutsch oder Russe, reich oder arm, berühmt oder unbekannt, jung oder alt.
Dann folgen einige Tausende …
Es wird grün, wenn man erst alles Unkraut jätet.
Man wird frei, erst wenn man den Käfig zerstört.