Wenn Juristerei zum Linkwahn führt
Goldene Links: Die Zeiten der wilden, ja geradezu anarchistischen Verlinkungen neigen sich endgültig dem Ende zu, die darbende Abmahnindustrie bekommt massiven Aufwind. Wegweisend für diese Entwicklung ist einmal mehr, die für ihre Gründlichkeit weltweit beliebte und geschätzte deutsche Justiz. Generell sind die Richter am Hamburger Landgericht davon überzeugt, dass derjenige (gewerbliche) Seitenbetreiber im Internet zunächst eine Tiefenprüfung aller von ihm verlinkten Inhalte durchzuführen hat, um fest- und sicherzustellen, dass sich auf den verlinkten Seiten keine Urheberrechtsverletzungen oder sonstige rechtlich bedenklichen Inhalte verbergen.
In zwei interessanten Aufsätzen wird das Geschehen analysiert: Gericht bestätigt Haftung für Urheberrechtsverletzungen auf verlinkten Seiten … [Heise]. Das ist eine Sachverhaltsschilderung, warum und weshalb das Gericht zu dieser Einsicht gekommen ist. Im weiteren lässt sich dasselbe Medium noch einmal über die befürchteten Folgen aus: IT-Branche besorgt über Beschluss zur Link-Haftung … [Heise]. Das alles lässt erst einmal nicht besonders viel Gutes erahnen und provoziert geradezu eine handvoll Fragen.
Abgesehen davon schätzen wir unser aktuelles Verhalten, mit der Berichterstattung und Verlinkung auf Heise als äußerst gewagt sein. Schließlich haben wir uns durch die schier unendlichen Texte und Bilder von Heise noch nicht abschließend durcharbeiten können. Die Sichtung des gesamten Seiteninhalts, inklusive der täglich hinzukommenden Inhalte wird vermutlich die Restlebensdauer des Autors hier bei weitem übersteigen. Infolgedessen waren wir gezwungen mit der Verlinkung auf die Seite einen absoluten Blindflug zu machen und uns damit dem Risiko auszusetzen, von dem inzwischen in Internetsachen als legendär geltenden Landgericht Hamburg, irgendwann einmal zur Strecke gebracht zu werden.
Fangen wir mit einer scharfen Auslegung des Urteils an und was dies für eine Suchmaschine wie Google bedeutet, sofern die sich jetzt kein nationalistisches Branding antut. Die Versuche liefen bereits zur Hochzeit des NSA-Skandals. Wir haben rechts schon die Betaversion davon entdeckt.
Letztlich stellt Google einen gewerblichen Dienst bereit, Inhalte aller Art im Internet aufzuspüren und der geneigten Kundschaft anzuzeigen. Selbstverständlich findet Google dabei jeden Dreck und auch unzählige kriminelle wie rechtswidrige Inhalte. Hinweise auf urheberrechtsverletzende Seiten dürften dort eher der Standard als die Ausnahme sein, wenn man nur wüßte um welche es sich dabei handelt. Jetzt verfügt Google sicherlich über ein wenig mehr Personal als wir hier (was gleich Null ist) und sollte nach den Vorstellungen des Hamburger Landgerichtes aber dafür haften, wenn Sie Ergebnisse präsentiert, die auf rechtsverletzende Seiten führen.
Das Ganze ist kaum mehr zu leisten, infolgedessen kann es nur einen Schluss und eine Lösung geben, Google muss darf in Deutschland dichtmachen nur noch Katzenbilder anzeigen, so leicht unscharfe Miezen halt. Das ist nicht weiter schlimm, man kann Google mit einigen wenigen Klicks zentral gesteuert
abschalten zur Ordnung rufen. Bestens lassen wir das dann sogleich durch das „Wahrheitsministerium“ erfolgen, auf das wird jetzt noch zu sprechen kommen.
Genau dieses „Wahrheitsministerium“ (George Orwell beschrieb es bereits 1948 in seinem Roman „1984“) ist nämlich in der weiteren Konsequenz aus dem Hamburger Landgerichtsurteil jetzt zwingend einzurichten, um Gewerbe als auch das arglose Bürger vor den bösen Folgen zu schützen, die das Landgericht klipp und klar herausgearbeitet hat. Es kann gar nicht anders sein, denn nach diesem Richterspruch ist die Politik unabdingbar in der Pflicht etwas zu unternehmen. Unter der Regentschaft der Allzeit-Kanzlerin Angela Merkel könnte durch dieses Urteil angeregt, nunmehr endlich das Wahrheitsministerium Wirklichkeit werden.
Die Arbeitsweise des Wahrheitsministeriums ist schnell erklärt. Zunächst einmal dürfen dort wegen der Staatstreuepflichten ohnehin nur Beamte Dienst tun, also keine Billiglöhner aus Indien und auch keine Internet-Arbeitsplatz-Lohndumper vom heimischen PC aus. In der Folge wird das Wahrheitsministerium eine weltweite Linksammlung beherbergen, die definitiv auf Rechtmäßigkeit und Unbedenklichkeit geprüft ist, wenigstens bis zum Prüfdatum. Einen Tag danach kann die Welt natürlich schon wieder anders aussehen und das macht richtig Arbeit.
Jeder Link soll ein Unikat sein und bekommt ein Zertifikat vom deutschen Wahrheitsministerium. Demzufolge müssen Neuveröffentlichungen auf den Seiten warten, bis das entsprechende Zertifikat für die zu aktualisierende Seite vom Ministerium erstellt wurde. Das dürfte endlich die Zeit wieder langsamer laufen lassen. Keine Hektik mehr im Journalismus und auch die medialen Schnellschüsse gehröen der Vergangenheit an. Zum weiteren Schutz der jetzt autorisierten Links werden sämtliche Verlinkungen auch auch ausschließlich über das Wahrheitsministerium (in arbeitsteiliger Kombination mit der NSA) abgewickelt und entsprechende Zugriffe minutiös protokolliert, sodass jederzeit einsehbar ist, wer den Link benutzt und an welcher Stelle gesetzt hat, um dann später gerichtsfest die Legitimität des freien Internets untermauern zu können.
Um dieses äußerst kostspielige Rechtsdokumentations-Unterfangen korrekt aufbauen zu können, sollte auch die Finanzierung eines solchen Ministeriums aus privaten sichergestellt werden, sprich von den Nutznießern. Logischerweise muss dies vom Propagandaministerium deutlich getrennt sein, welches heute durch die ehemalige „GEZ“ und dem heutigen „Beitrags-Service“ gut vertreten ist. Aber die Finanzierungsstruktur könnte durchaus ähnlich sein. Um dem ganzen Unterfangen auch eine klangvolle Begrifflichkeit zuzuordnen, wären wir gut beraten, von einer „Wahrheits-Aufgabe“ zu reden, für die dann selbstverständlich eine „Wahrheits-Abgabe“ fällig wird. Aufgrund der enormen Aufgabenlast und vermutlich demnächst mehreren Millionen Beschäftigten, die zu jeder Zeit alle möglichen Links handverlesen müssen, dürfte ein monatlicher Beitrag von 50 Euro eher noch spottbillig sein.
Natürlich dürfen wir das Vorhaben nicht als Geschäftsmodell begreifen, denn es dient ausschließlich der Rechtspflege und dem Schutz einer gesunden Volksmeinung, bis diese eines Tages durch eine generelle Meinungsfreiheit abgelöst werden kann. Auch wenn harte Kritiker dieses Vorhabens jetzt von der Auslösung eines „Linkswahns“ durch das Landgericht reden möchten, seien diese hier nochmals deutlich auf die Plätze verwiesen. Es gilt immer noch den Grundsatz: Recht muss Recht bleiben … egal was es kostet und wie viel Kniebeugen dafür erforderlich sind. Und für Recht – im Namen des Volkes – erkennt immer noch das Gericht.
In der Folge sehen wir eine Neuausrichtung von Google. Eine Rückkehr dieses Unternehmens an den deutschen Markt kann für den Zeitpunkt angenommen werden, an dem das deutsche Wahrheitsministerium, in Kooperation mit der NSA die „legitimen Links“ soweit aufbereitet und zertifiziert haben, dass Google wiederum unbedenklich auf diese Inhalte zugreifen und sie wieder gefahrlos verbreiten kann. Hmm … sofern Google das nicht schon direkt über die NSA kann? Nur so können die Werte geschützt werden und etwaige Eigener, auch geistigen Eigentums, vor monetären Nachteilen bewahrt werden. Exakt das bedeutet aktiver Schutz der Freiheit. Hier kann man dem Landgericht Hamburg gar nicht genug für diese Vorreiterrolle zum Schutz der echten Werte danken (die man in Euro ausdrücken kann).
So richtig scheint aber das Landgericht Hamburg selbst noch nicht an seine aktuelle Rechtsprechung zu glauben. Findet man doch in deren Impressum (http://justiz.hamburg.de/impressum) noch die folgende Passage:
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Werden da womöglich die Systemkritiker die Oberhand behalten? Dieses seltsame Klientel, welches ohnehin davon ausgeht, dass auch die Justiz in D€utschland alles andere als unabhängig ist? Diesen Ansichten folgend, wäre auch das Landgericht nur „scheinselbständig“ tätig … ?