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Der politische Suppenkasper

Tim war eine wahre Frohnatur. In seiner Kindheit mangelte es ihm an nichts und so wuchs er unbekümmert zu einem stattlichen Burschen heran. Er interessierte sich sehr für die Natur. Gedankenverloren lag er oft stundenlang auf der Wiese und beobachte Tiere und Pflanzen. Zusammenhänge erschlossen sich ihm so auf wunderbare Weise.

Suppenkasper

Viele Überzeugungen festigten sich bei ihm nicht, nur eine wollte nicht weichen: Tiere essen, wollte er nicht. So wurde aus ihm ein Vegetarier, wie er erfahren durfte. Seine Eltern hatten kein Problem damit und kochten für Tim stets ein Gericht ohne Fleisch. So konnte Tim weiterhin seinen Neigungen nachgehen und musste sich auch für die Zukunft um nichts sorgen.

Als Tim volljährig wurde, begannen – mit den sich daraus ergebenden Rechten – auch die leidigen Pflichten. So machte er sich eines Tages auf, um die Welt zu erkunden. Nach langer Reise fand er einen Ort, an dem er sich niederlassen wollte. Alles an diesem Ort sah harmonisch aus, Mensch und Tier im Einklang mit der Natur. Arbeit gab es hier zuhauf und auch eine Bleibe war schnell gefunden.

Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!

Da seine Wegzehrung sich bereits dem Ende neigte, freute er sich auf eine warme Mahlzeit. Die Auswahl lies ihn jedoch als Vegetarier zögern. Zwei Gerichte standen zur Wahl: ein blutiges Rumpsteak und Chili con Carne. Dass er das Steak nicht anrühren würde, war ihm klar und von der geringen Beilage würde er nicht satt werden – zumal die Beilage zu dem Preis jenseits seines Budgets lag. Aber auch das Chili konnte nicht recht überzeugen. Das Hackfleisch war untrennbar Teil des Gerichts. So wählte er: nicht zu wählen und blieb hungrig.

Er aß auf seinem Zimmer die Reste seiner mitgenommenen Verpflegung und freute sich auf den kommenden Tag und des damit verbundenen neuen Speiseplans.

Die Reise war anstrengender als gedacht und so schlief er länger als geplant. Als er sich dann aufmachte, die Kantine aufzusuchen, war die Verwunderung groß. Es gab nur noch die Reste vom Vortag. Alle neuen Gerichte waren bereits abverkauft. Abermals ging er im Gedanken die Alternativen durch und begnügte sich mit der Hoffnung auf den morgigen Tag.

Es sollte eine unruhige Nacht werden, damit er früh genug an den Start gehen konnte. So war er einer der ersten beim Essen. Wiederum konnte die Auswahl sein vegetarisches Herz nicht entzücken. Erneut war Fleisch der Hauptbestandteil des Essens. Abermals würde er hungrig schlafen gehen, nicht aber, ohne den Koch zuvor zur Rede gestellt zu haben.

Selbst ist der Mann…

Es war nicht so, dass er den Koch tadeln wollte, auch wenn er genügend Gründe fand. Der äußere Anschein, der diesen Ort so einzigartig machte … und das was er dann zu essen bekam … passten jedoch gar nicht zusammen. Der Koch, das war schnell klar, wollte seine Essenszubereitung nicht ändern. Es schlug Tim vor, doch einfach selber zu kochen.

Dieser Gedanke war für Tim völlig neu, hatte sich bislang nie die Notwendigkeit dazu ergeben, sein Essen selbst zubereiten zu müssen. Er überlegte nicht lange und nahm sich vor, morgen sein Essen selbst zu kochen. Heute wollte er sich darum kümmern, die passenden Zutaten zu besorgen.

Es war ein langer Tag und als die Sonne dem Mond den Platz freigab, hatte er lange noch nicht alle Zutaten beisammen. So musste er sich für seinen ersten Versuch mit dem begnügen, was er hatte.

Die Zubereitung fiel ihm nicht leicht. Er wusste weder was gekocht noch was gebraten werden musste, auch Garzeiten waren ihm fremd. So war das Kochergebnis auch nicht besonders schmackhaft.

Aller Anfang ist schwer

Auch die kommenden Tage brachten ihm nichts essbares auf den Tisch, das dem Vergleich des bisher genossenen auch nur im entferntesten standgehalten hätte. So blieb er lange sein eigener Gast.

Viele Versuche später gelang es ihm tatsächlich, ein Essen auf den Teller zu bringen, welches nicht einen instinktiven Würgereiz in ihm hervorrief. Voller Freude über die erfolgreiche Komposition der Zutaten machte er sich auf, sein Glück zu teilen. Nur wenige probierten von der dargebotenen Speise und noch weniger fanden daran Geschmack.

Tim ließ sich davon nicht entmutigen, war ihm doch klar, dass dieser Ort nur durch ein vegetarisches Essen vollkommen sein könnte. Seine Beharrlichkeit sollte sich auszahlen. Immer mehr Menschen kamen auf den Geschmack seiner Darbietungen, was dem Koch keineswegs entgangen war.

Just dieser Koch besann sich auf die Regeln der Essenszubereitung, mit denen er es bisher auch nicht so genau nahm. Dem Koch war dies freilich egal, zielten seine Aktivitäten doch ganz und gar auf Tims wachsende Kundschaft ab.

Wo gehobelt wird, fallen Späne

Es dauerte nicht lange und Tim bekam einen Korb voller Auflagen. Hygienevorschriften, Steuervorschriften und dergleichen mehr. Auch war ihm fortan untersagt seine Gerichte anzupreisen oder gar Versuchsportionen davon kostenlos darzureichen. Er versuchte sehr wohl seine Kundschaft zu halten, die Auflagen jedoch ließen ihm keine Zeit mehr, sich um seine Gäste zu kümmern.

Über Nacht fasste er den Entschluss, sich nicht weiter um die Essenszubereitung zu kümmern, das Vorhaben endgültig zu beenden. Es sollten nur noch wenige Tage vergehen, bis ihn der Hunger zu seinem einstigen Widersacher trieb und noch ein paar Tage, bis er auch das Fleisch vom Teller aß.

Heute kann er sich gar nicht mehr an die Zeit erinnern, an dem er sich rein vegan ernährte. Längst zur Routine ist der tägliche Fleischkonsum geworden. Lächelnd schaut er auf die Menschen, die – wie er damals – beim Anblick der Speisekarte zögern. Weiß er doch längst, dass es keinen Ausweg gibt: wer leben will, muss sterben!

Das Leben ist ein Märchen, erzählt von einem Narren,
voller Klang und Wut, das nichts bedeutet.
(William Shakespeare)

Narr

Fragestellungen zur Vertiefung:

  • Welchen Anteil haben Tims Eltern an dieser Situation?
  • Welche Vergleiche zum vorherrschenden politischen Diskurs lassen sich ableiten?
  • Welche Alternativen hat Tim noch, um seinem inneren Wesen zu folgen?
Über Ro!and (409 Artikel)
Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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1 Kommentar zu Der politische Suppenkasper

  1. DANKE !
    Was für ein Geschenk heute morgen !!! 😀 )))
    Da muß doch eine innige innerliche Beziehung zwischen Tim und Tilly bestehen…
    😉
    „Voller Freude über die erfolgreiche Komposition der Zutaten machte er sich auf, sein Glück zu teilen.“
    Genau so.
    … und dann gibt´s eine Ohr-Feige nach der anderen … natürlich nur im Namen der „Guten“ … zum Schutze der angeblich „Angegriffenen“ und ja ach so „Hilf-Looserinnen“ … tja, was ALLEIN Tillis Natur-Wissens-*Nach-FRAGEN* doch so alles be-wirken können …
    Der Mann „habe ja nicht alles von Anfang an mitbekommen“, aber es seien eben „Angriffe“ auf ein ach so Hilf-loses Hühner-Weibchen gewesen …

    Tilly hat sich auch gerade aus solch einem „Wissens-Mann-Oh-Fackere-Ab-Schnitt“ ver-ab-schiedet…
    Da ist/wird „anderes“ immer sichtbarer im Glorien-Glanz-Tanz um das Gold-Schein-Kalb … zumindest für sie…

    Aba „Fleisch“ ißt sie immer noch nicht !!! :D)))

    Als kleines Kind sah sie mit Entsetzen die Qual der Ameisen, auf die sie völlig unbeabsichtigt getreten war, und die sich nun sich windend und kriechend im Kreise rumquälten …
    – und sie konnte nicht helfen !!! Auch der um Hilfe gerufene Vater nicht …
    Aber das schenkte ihr eine noch größere Achtsamkeit jeglichen Lebens gegenüber… auch wenn das ihr Um-Feld nicht verstehen wollte … und will…
    Frage 3 :
    GeH!-Setze ein Neues !
    Laßt uns das gemeinsam
    im Bewußt-Sein vor der Großen Ver-Antwortung
    in Treue und Ehre
    endlich wieder tun.
    🙂
    *JaH!*

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