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Chancen der Bildung

Nicht wenige Veränderungen sind mit einem Wunsch der Moderne versehen, welche uns Menschen auf Irrwegen führt. Einer dieser Irrwege ist bei der Bildung seit längerem spür- und beobachtbar.

Was treibt uns in diese Irrwege?

Unsere Vorstellung von Zukunft ist immer mit Wünschen versehen und überschätzt oftmals technischen Fortschritt dermaßen, dass eine solche prosperierte Zukunft zwangsläufig vergisst den Menschen mitzunehmen. Diese Menschen werden dann als rückständig bezeichnet. Aber sind sie das wirklich?

Schauen wir uns einmal einen gewöhnlichen Schuh an. Schon vor 10.000 Jahren trugen unsere Vorfahren etwas in der Art an ihren Füßen. Es schützte sie im Wesentlichen vor den äußeren Einflüssen, hielt die Füße zudem warm und trocken. Die „modernen“ Schuhe sind eher modisches Accessoire. Der bzw. die Trägerin wird durch sie größer, die Waden glatter, die Zehen schlanker, der Gang graziler. Bei orthopädischen Schuhen mag vieles davon nicht der Fall sein, sehen viele doch weder Schick noch grazil aus. Aber sie versprechen den Fuß so zu formen, dass der Gang damit ergonomisch ist.

Und was kommt dann?

Plötzlich sind Barfußschuhe der letzte „Schrei“. Schuhe, die minimalistisch daherkommen und eigentlich nicht viel anderes sind, als das Schuhwerk vor 10.000 Jahren. Jetzt aber mit einer Hightech-Sohle. Was bleibt ist der natürliche Kontakt zum Boden, das Gefühl der Verbundenheit. Was aber auch bleibt sind natürliche Waden, natürliche Stellungen der Zehen und die Abwesenheit vieler Operationen von Spreizfüßen und Halux-Erscheinungen…

Ein anderes Beispiel der Moderne, damit wir uns der Bildung nähern!

Es dauerte lange, bis der Mensch die (Hand-)Schrift für sich entdeckte. Viel Wissen wurde durch diese „Technologie“ ins Fließen gebracht – denn Technologie war die Schrift noch vor tausenden Jahren. Der moderne Mensch jedoch hat diese Technologie nahezu verlernt. Was er stattdessen gelernt hat ist, mit acht Fingern auf einem Kasten der immer flacher wird, auf einzelne höherstehende Kästchen einzuschlagen. Immer mit der ausreichenden Kraft, damit diese Kästchen nicht vorzeitig ihrem unausweichlichen Ende entgegen sehen, aber mit genügend Kraft, dass die Emotionen des geschriebenen sich auch im dem Tastenanschlag wiederfinden. Ab und an dürfen die beiden verbleibenden zwei Finger den Abschluss eines dieser Worte verkünden und die Leertaste betätigen.

Aber um welchem Preis?

Diese „Innovation“ zeigt einmal mehr, wie sich der Mensch der Technik anpassen kann. Ergonomisch ist diese Art des Schreibens wohl eher unter Unfall zu verorten, denn als Schreiberleichterung. Sehnenscheidenentzündugen sind seltener, da der mechanische Anschlag schwächer wurde. Der Schreibfluss ist jedoch nicht mehr der, einer Handschrift und die Tippfehler dürften wohl auch in die Höhe gehen, was oftmals durch die rot unterkringelten Wörter dazu führt, den vermeintlichen Tippfehler schnell zu korrigieren. Das bringt uns aber gedanklich aus dem Schreibfluss und wir produzieren kaum mehr die Gedanken als schriftliches Ergebnis, was wir in Gedanken gerade noch so präsent hatten.

Und jetzt kommt das Tablet!

Ja, mit dem iPad und seine Folgemodelle haben wir jetzt wieder den „Barfußschuh“ des Schreibens in der Hand. Hier können wir wieder zu dem zurückfinden, was Schrift Jahrtausende ausmachte. Dabei kommt die Tafel sogar mehr der alten Steintafel nahe, nur, dass wir in der zweiten Hand jetzt kein Hammer halten müssen, sondern diese frei nutzen können. Je besser die Handschrifterkennung wird, desto flüssiger gelingt dort das Schreiben. Hätten wir das handschriftliche Schreiben nicht durch die Tastatur derart verlernt, kämen wir vielleicht viel schneller weg von der Tastatur.

Nun aber zum gewagten Sprung und zu den Chancen bei der Bildung.

In Sachen Bildung verhält es sich nicht viel anders. Auch hier wurde immer mehr hinzugefügt und der Kern der Bildung auf der Strecke vergessen. Immer mehr Innovationen fanden den Weg ins Klassenzimmer. Heute dürften in einer Klasse mehr digitale Endgeräte sein, als Schüler und Schülerinnen, samt Lehrkörper.

Sind die Schüler und Schülerinnen von heute besser auf das Leben „eingestimmt“ als früher? Wissen sie nach ihrer „Schullaufbahn“ genauer, welche neue Laufbahn sie danach einschlagen wollen oder zögern sie diese Entscheidung gerne noch für weitere Jahre durch ein Studium hinaus?

Die Orientierungslosigkeit war so groß wie noch nie, behaupte ich. Dabei liegt es nicht an den Möglichkeiten, viel mehr an den Versuchungen, sich abzulenken. Sich einer Vorstellung hinzugeben, die nicht der Realität entspricht. Eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Jugendlichen trägt so den Berufswunsch des Influencer in sich. Nur wen wollen sie in den Märkten noch alle beeinflussen? Ist der Markt der Beeinflussung nicht längst schon übersättigt und sollten wir uns als Mensch vielleicht lieber weniger in unserem Tun und Wollen beeinflussen lassen?

Ist dieses weniger denn mehr vielleicht gerade die Chance in der Bildung?

Schauen wir uns das einmal genauer an. Wann lernten unsere Vorfahren etwas – also in einer Zeit, vor der, die wir heute als Schule kennen? Der Lernbedarf entstand in der Regel aus der Praxis heraus. Das, was überlebensnotwendig war, wurde auf „Vorrat“ gelernt, darüber hinaus stand dem Lernen ein Problem gegenüber, dass zu lösen war. Diese konnte man sich auf unterschiedliche Art aneignen, war aber gezwungen, sich selbst auf die Suche zu machen.

Heute wird in der Schule versucht, unabhängig vom praktischen Einsatz theoretische Konzepte zu vermitteln, die zwar gut und recht sind, aber der eigentlichen Anwendbarkeit oder Lebensnähe beraubt sind. Ein paar wenige Pädagogen haben hier die Lücke erkannt und auch geschlossen – diese bilden nach meiner Einschätzung jedoch die Ausnahme. Am Ende einer solchen Schullaufbahn sind unsere Kinder also mit unzähligen Konzepten konfrontiert worden, die sie in Prüfungen vorzeigen durften. Nach der Notenübergabe ist der Dompteur zufrieden und die Dressierten fragen sich nun, was sie mit ihren Kunststücken denn so alles in der Welt machen können. Nicht wenige nehmen sich zuerst einmal eine Auszeit und bereisen die Welt, der Großteil jedoch ist so verwirrt und will noch mehr Dressureinheiten und entscheidet sich daher folgerichtig für ein Studium von Was-auch-Immer.

Das Weniger wäre nun zu beschauen, wo das Interesse des Kindes hin geht. Wo es plötzlich mit Fragen konfrontiert wird, die es nicht (so einfach) selbst lösen kann.

Weniger wäre dann, wenn man die Begeisterung der Kinder erhalten würde und ihr natürliches Streben nach Wissen begünstigt. Dazu braucht es eine Umgebung, die die Lust am Lernen begünstigt. Die Bergwerke vor 100 und mehr Jahren, in dem die Kinderarbeit zur Normalität gehörte, ist kein geeigneter Ort. Die Natur, in ihrer Vielfalt scheint ein sehr geeigneter Ort zu sein. Dazwischen dürfte das Klassenzimmer liegen – mal näher beim Bergwerk, mal näher beim Wald.

Machen wir uns das bewusst und etablieren ein Bildungssystem, das einfach und schlank genau das fördert, was unser Bewusstsein mit dem Stoff versorgt, was es zum Wachsen braucht, so müssen wir uns keine Zukunftssorgen machen. Zukunftsängste sind dann das, was wir aus den Märchenerzählungen kennen.

Besinnen wir uns mehr auf das, was uns verbindet, was uns verwurzelt, statt jenes, was uns verblendet, was uns träge und stumpf macht, dann lösen sich Probleme wie von selbst.

Dabei geht es gar nicht darum die Technologie zu verteufeln. Nein, ganz im Gegenteil, wir sollten sie nur zweckdienlich einsetzen.

Homeschooling, wie es kurzerhand nach dem Lockdown eingeführt wurde, ist ein gutes Beispiel. Wenn man durch Videokonferenzen meint, die Kinder lernen von zuhause genau so, wie in der Schule, dann könnte der Denkfehler nicht größer sein. Welcher Mensch lässt sich stundenlang von Powerpoint-Folien berieseln, dessen Sinnhaftigkeit nicht erkennbar ist und dabei stets auf einen Monitor schauend, wo es um einen herum im häuslichen Zimmer viel interessanteres gibt?

Was aber wäre, wenn ich bei einem konkreten Problem nicht weiter weiß und dann per Videokonferenz mich mit einem Mentor austauschen kann. Ihm das Problem schildern kann – was immerhin schon dazu führt, dass ich das Problem durchdrungen habe – und wir dann gemeinsam eine Lösung finden? Dann bekommt das Internet und die Möglichkeiten das zu finden, was mir in der aktuellen Situation hilft, einen ganz anderen Klang.

Dann wird das Lernen zum Jazz-Konzert, was zuvor noch einer Kakophonie entsprach.

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Auf den Punkt zu bringen, wer man ist, fällt weitaus schwerer, als andere in eine Schublade zu stecken ;-) Im Kern bin ich freiheitsliebend, freigeistig und gerne auch mal (benimm-)regelverstoßend. Ansonsten ganz "normal".
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